Kitzrettung – auch mit Drohnen noch ein Problem?

Vor etwas über 30 Jahren wurde in unser Grundgesetz ein Artikel 20a „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ (Umweltschutz) eingefügt. Dieser Schutzauftrag wurde vor ca. 23 Jahren um den Tierschutz erweitert. Verstößt jemand gegen Normen des Tierschutzes, so bestimmt § 17 TierSchG (Tierschutzgesetz): „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer… ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder … einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt“. Das beschreibt also eine Straftat, Verstöße von geringerem Gewicht werden nach § 18 TierSchG als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen geahndet.

Seitdem ist es überwiegend strafbar und fast immer ordnungswidrig, wenn ein Landwirt bei der Mahd abgelegte Rehkitze verletzt, verstümmelt oder tötet – er hat nach dem Tierschutzrecht die Pflicht, vor der Mahd sicherzustellen, dass er keine Rehkitze verletzt. Die Rechtsprechung betrachtet das Mähen ohne Schutzmaßnahmen nicht als „vernünftigen Grund“ einer Kitztötung im Sinne der Vorschrift. Daher liegt die Verantwortung für angemessene Schutzvorkehrungen beim mähenden Landwirt.

Kitzrettung ist Jagdausübung

Kitze können durch verschiedene Maßnahmen weitgehend gerettet werden. So gibt es einen sog. Mähknigge, wonach Flächen ab 1 ha von innen nach außen zu mähen sind (das liest man z. B. in § 4 Abs. 1 Nr. 5 Landesnaturschutzgesetz NRW). Oder das Mähwerk wird mit einem optischen Sensorbalken ausgestattet. Vergrämungsmaßnahmen tags zuvor können helfen. Oder Jäger laufen mit Hunden vorweg.

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 45 Abs. 5) ist es für jedermann zulässig, „verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen“ – aber das gilt ausdrücklich nur „vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften“ und deshalb nicht für Wild – Rehkitze sind aber nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Bundesjagdgesetz „Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen“, und damit Wild. Und das bedeutet wiederum: die Rehkitzrettung ist „Jagdausübung“ in Form des Aufsuchens und Fangens von Wild. Auf den fehlenden Aneignungswillen kommt es nicht an. Damit handelt es sich um ein ausschließliches Recht des Jagdausübungsberechtigten. Eine Handlung ohne dessen Zustimmung stellt Jagdwilderei dar.

Pflicht des Landwirts

Mit anderen Worten: ohne den zuständigen Jagdausübungsberechtigten geht es nicht. Der Landwirt muss diesen also vor der Mahd einschalten, und zwar rechtzeitig und in geeigneter Form. Der Jagdausübungsgerechte wiederum ist zur Mitwirkung verpflichtet, denn das ist Teil der Hegeverpflichtung, die sich ebenfalls aus § 1 BJagdG ergibt. Hier tut sich schon das erste Dilemma auf. „Landwirte, die nicht genügend Vorkehrungen treffen, um den Tod von Jungwild durch Mähmaschinen zu vermeiden, werden regelmäßig von Gerichten verurteilt. Verständlicherweise versuchen sie sich davor zu schützen, und hier drohen uns Jägern Probleme, beispielsweise, wenn aufgrund unsicherer Wetterlage Bauern den Jagdausübungsberechtigten erst kurzfristig verständigen können. „Morgen früh will ich die und die Fläche mähen oder mulchen, aber nur, wenn das Wetter so bleibt“, heißt es dann, „der Jäger möge sich darum kümmern, dass dort keine Kitze liegen“. Zeitlich und personell ist das oft nicht zu bewerkstelligen, zumal, wenn der Jäger weit entfernt vom Revier wohnt. Im Falle eines „Unglücks“ kann er dann allerdings anstelle des Landwirts ebenfalls strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Landwirte wiederum können sich ihrer Verantwortung entziehen und nach dem Tierschutzgesetz dem Jagdpächter die Schutzmaßnahmen über den Jagdpachtvertrag aufdrücken.“

Die Rechtslage

Seit mehr als 20 Jahren werden Landwirte regelmäßig wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu Geld- oder gelegentlich sogar zu Haftstrafen verurteilt, wenn sie Maßnahmen zur Kitzrettung vorsätzlich unterlassen und Kitze ausgemäht haben, oder wenn sie mit sog. „bedingtem Vorsatz“ den Tod von Kitzen billigend in Kauf genommen haben. Nach dem Verursacherprinzip haftet zunächst derjenige, der mäht, und nach ihm der Jagdausübungsberechtigte, der geeignete Maßnahmen trotz rechtzeitiger Einschaltung unterlässt. In den letzten Jahren haben verschiedene Gerichte Strafurteile gefällt. Eine Strafbarkeit gem. § 17 TierSchG liegt zwar nur vor, wenn der Täter vorsätzlich handelt, aber das Recht kennt auch den „bedingten Vorsatz“, „wenn’s passiert, dann passiert es halt“, der Täter nimmt also die Folgen billigend in Kauf.

Kitzrettung mit Drohnen

In den letzten Jahren etwa seit 2021 ist die Kitzrettung aufwendiger, aber auch erheblich effizienter geworden, und zwar durch den Einsatz von Drohnen.

Öffentlichkeitswirksame Meldungen über Einsätze von Drohnen, mit denen Jäger landwirtschaftliche Flächen absuchen, um Kitze vorm Tod unter dem Kreiselmäher in Sicherheit zu bringen, nehmen zu. Auch wackere Waidmänner, die sich nie um die Rettung von Rehkitzen gekümmert haben, „bewaffnen“ sich neuerdings mit Drohnen, und manch ein Stadtbewohner ist gerührt von der Selbstlosigkeit. In der Presse heißt es dann: „Jägerschaft Hubertusburg erfolgreich zwölf hilflose Rehkitze gerettet“ und „Kreisjägermeister stolz: 21 kleine Rehe vor dem Verstümmeln bewahrt“ oder „Jäger schießen nicht nur, sie helfen auch Reh Babys“.

Das beeindruckt erkennbar auch die Gerichte. Beispielhaft und mit Sicherheit wegweisend ist ein neueres Urteil. Das Amtsgericht Memmingen verurteilte einen Landwirt aus dem Unterallgäu, der bei der Mahd drei Rehkitze mit dem Mähwerk getötet hat. Er hatte zwar das Feld zusammen mit einem Jäger zu Fuß abgesucht. Für die Rehkitzsuche mit einer Drohne war es aber wegen der Mittagshitze bereits zu spät – die Wärmebildkamera funktioniert nur zuverlässig, wenn der Temperaturunterschied zwischen Rehkitz und Umgebung groß genug ist. Beim anschließenden Grünlandschnitt erlitten drei Rehkitze dennoch den Mähtod. Nun wurde der Landwirt verurteilt. Laut Staatsanwalt hätte er mit der Mahd noch einen Tag warten sollen, bis am Morgen ein Drohneneinsatz wieder möglich gewesen wäre. Das Gericht hielt das Verhalten des Landwirts für fahrlässig und setzte eine Geldstrafe mit vierzig Tagessätzen zu je zwanzig Euro fest – insgesamt 800 Euro.

Strafe und Schadensersatz

Strafrechtlich bewegen wir uns deshalb inzwischen auf einigermaßen gesichertem Boden: Wer es unterlässt, die Mahd dem zuständigen Jagdausübungsberechtigten so rechtzeitig anzuzeigen, dass dieser den Einsatz von Drohnen organisieren kann, läuft Gefahr, bei einer Kitztötung bestraft zu werden.

Noch teurer kann es für ihn allerdings werden, wenn der zuständige Jagdpächter für die getöteten Rehkitze Schadensersatz in Geld fordert.

Da ist die Rechtslage jedoch unklar, nicht nur, was die Höhe des Schadens angeht. Das Ausmähen von Rehkitzen greift in das Jagdrecht – Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten – ein. Das Jagdausübungsrecht ist ein „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Ein vorsätzliches oder fahrlässiges Eingreifen in dieses Recht gibt dem Geschädigten (Jagdpächter, Eigenjagdbesitzer) einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Als Ersatz kann entweder der entgangene Wildbreterlös gefordert werden oder aber auch der Betrag für eine Ersatzbeschaffung für das getötete Tier – das kann gegenüber dem geringen Wildbret von Kitzen schon einigermaßen kostspielig werden.

Nun ist es aber zum Zeitpunkt des Verlustes des Kitzes völlig ungewiss, ob daraus jemals ein vollwertiges erwachsenes Tier geworden wäre – der Verlust der Aneignungsmöglichkeit zieht nicht zwangsläufig den sicheren Verlust der späteren Bejagung und Erlegung nach sich. Deshalb haben Gerichte hier zuweilen keinen Schaden gesehen.

Andere Gerichte sehen im Wegfall der Aneignungsmöglichkeit einen Schaden, weil Rehe standorttreu sind und wahrscheinlich zur späteren Bejagung in diesem Revier zur Verfügung gestanden hätten, wenn sie nicht ausgemäht worden wären. Das ist bisher die überwiegende Meinung. Angesichts der Ausbreitung des Wolfs halten wir diese Ansicht aber jedenfalls in Wolfsgebieten für überholt – wir sehen keinen messbaren zivilrechtlichen Schaden im Verlust eines Rehkitzes, wohl aber eine strafbare Tötung eines Wirbeltieres.

Fazit:

Eines ist klar: der Siegeszug der Drohne ist auf dem Gebiet der Kitzrettung nicht aufzuhalten. Und das ist gut so!

Dr. Wolfgang Lipps