Am 13. Juli hat das BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) den „Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes“ vorgelegt (Fundstelle u. a. bei Jawina). Wie der böse Wolf bei Rotkäppchen säuselt diese Arbeit unter anderem: „Das Ziel, eine an den Klimawandel angepasste Waldbewirtschaftung in der Fläche umzusetzen, erfordert eine Anpassung des Bundesjagdgesetzes (BJagdG), um im Interesse eines angemessenen Ausgleiches zwischen Wald und Wild dort handeln zu können, wo zu hohe Wildbestände eine Naturverjüngung behindern.“
Wie lieb!
Wer derartige fachpolitische Verlautbarungen richtig, vor allem zwischen den Zeilen, lesen kann – und von der Materie was versteht – erkennt dann: hier wird nicht nur das Jagdausübungsrecht weiter eingeschränkt, sondern die Axt an die Wurzel der Jagd gelegt!
Wie das?
Bislang sagt das „Grundgesetz unserer Jagd“, § 1 BJagdG (und nahezu gleichlautend alle Landesjagdgesetze), dass die Jagd dazu dient, einen gesunden und artenreichen Wildbestand unter Berücksichtigung der vorrangigen Interessen der Land- und Forstwirtschaft daran, das Wildschäden „möglichst“ vermieden werden sollen, zu hegen. „Möglichst“ heißt dabei: ein gewisser Grad von Wildschaden muss hingenommen werden, wenn ein gesunder und reproduktionsfähiger Wildbestand erhalten werden soll– die Hege dieses Kulturguts ist nämlich „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ (§ 1 LJagdG Bbg).
Jetzt erhält diese Vorschrift eine kleine aber inhaltsschwere Ergänzung:
„Sie (die Jagd) soll insbesondere eine Naturverjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen.“
Das legt tatsächlich die Latte niedriger – nicht nur soll Wildschaden wenn möglich vermieden werden, sondern der Wald soll sich ohne Schutzmaßnahmen verjüngen können. Weg ist die Toleranz des Mindestschadens, und stärkerer Bejagung wird Tür und Tor geöffnet. Das gilt vor allem immer da, wo das Wild gezwungen ist, irgendwie zu Schaden zu gehen, zum Beispiel, weil es im Gebirge immer mehr durch Zivilisation und Sport auch tagsüber in die Schutzwälder getrieben wird.
Schlechtere Aussichten für einen gesunden Wildbestand!
Vor allem aber ist dieser kleine Zusatz – der in § 15(5) 5 BJagdG wiederholt wird – ein subtiler Eingriff in das Verhältnis von Jagd und Forst. Bislang waren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wildbewirtschaftung – vulgo: Jagd – gleichberechtigte Nachhaltswirtschaften. Jetzt erhält die Jagd eine dienende Funktion der Forstwirtschaft, ist also weiter nichts mehr als ein Erfüllungsgehilfe des Waldbewirtschafters beim sicherlich notwendigen Waldumbau.
Und das ist in dieser Gesetzesnovelle ja noch nicht alles: erst hat man das Rehwild – den kleinen braunen Rindenfresser – aus der Abschussplanung rausgenommen, aber der Jäger konnte das noch hegen. Jetzt muss auch der hegende Jäger sich entweder auf einen Mindestabschuss – eine rundum rechtswidrige Sache – einigen, oder er kriegt dann von der Behörde einen Mindestabschuss vorgesetzt und kann sogar dazu gezwungen werden. Beim Reh fängts an, aber es geht weiter – Brandenburg machts vor!
Auf gut Deutsch: „Wald vor Wild“ bis wenn nötig „Wald ohne Wild“.
War ja klar!
Wenn das Gesetz wird – woran man bei dieser Ministerin kaum zweifeln wird – kann sich die Forstpartie fröhlich auf die Schulter klopfen. Es ist nix so erfolgreich wie der Erfolg!
Quo vadis Jagd – bald nur noch eine rhetorische Frage!
Ihr
Dr. Wolfgang Lipps