Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zu halbautomatischen Waffen, deren Magazin mehr als zwei Schuß aufnehmen kann, haben zu hektischen Reaktionen verschiedener Verwaltungsbehörden und zu geballtem Protest der Jägerschaft geführt. Auch der DJV hat sich, einigermaßen ratlos, geäußert.
Die vernünftige Rechtsmeinung von Rechtsanwalt Thies bringt hier Klarheit; wir geben sie auszugsweise wieder:
RA Hans-Jürgen Thies, Justitiar des Landesjagdverbandes NRW
Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts wurden erst vor zwei Wochen veröffentlicht. Sie sind noch nicht einmal rechtskräftig. Meines Erachtens ist zunächst eine sorgfältige rechtliche Bewertung der Urteile unter Berücksichtigung der jagdlichen Relevanz und der erheblichen Verbreitung halbautomatischer Waffen bei Jägern notwendig. Sodann bedarf es unter Einbeziehung der Jagdverbände eines bundesweit abgestimmten Vorgehens der Waffenbehörden in den einzelnen Bundesländern, damit es bei halbautomatischen Jagdwaffen nicht zu einem unerträglichen föderalen Wildwuchs kommt, wie wir ihn derzeit leider bei den Schalldämpfererlaubnissen für Jagdlangwaffen erleben.
Welche Bedeutung haben Anweisungen der Landesinnenminister an die nachgeordneten Waffenbehörden?
Den Landesinnenministerien steht es frei, eine eigenständige rechtliche Bewertung der Urteile vorzunehmen und auf dieser Grundlage ihren nachgeordneten Waffenbehörden im Erlasswege dienstliche Anweisungen zu erteilen, wie in der Praxis mit den gerichtlichen Entscheidungen umzugehen ist. Ob die erteilten Anweisungen, wenn sie denn von den örtlichen Waffenbehörden so umgesetzt werden, formell und inhaltlich in allen Punkten einer kritischen rechtlichen Überprüfung standhalten werden, darf bezweifelt werden. Antwort darauf wird erst später die Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte geben.
Sind bestehende Eintragungen in Waffenbesitzkarten ungültig, wie man in Mecklenburg-Vorpommern zu meinen scheint?
Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Nach meiner Rechtsauffassung verbietet § 19 Abs. 1 Nr. 2 c BJagdG, auf den sich das Bundesverwaltungsgericht berufen hat, lediglich das Schießen auf Wild mit einer halbautomatischen Waffe mit einem Magazin, das mehr als zwei Patronen aufnehmen kann. Die Verwendung einer halbautomatischen Waffe als solches wird durch das Bundesjagdgesetz überhaupt nicht verboten. Außerdem gehören – gerade auch in waffenrechtlicher Hinsicht (vgl. § 13 Abs. 6 WaffG) – auch das Ein- und Anschießen im Revier, die Jagdhundeausbildung, der Jagdschutz und der Abschuss von Tieren mit naturschutzrechtlicher Genehmigung, z. B. Bisam, Nutria und Kormoran, zur befugten Jagdausübung. Dabei wird jeweils überhaupt nicht auf Wild im Sinne von § 2 Abs. 1 BJagdG geschossen. Vor diesem Hintergrund halte ich die Rücknahme oder den Widerruf einer bereits vor Jahren einem Jäger erteilten Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer halbautomatischen Jagdwaffe für schlichtweg rechtswidrig. Überdies käme eine solche Maßnahme der Enteignung eines legalen Waffenbesitzers gleich, wäre also auch verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.
Was empfehlen Sie Käufern halbautomatischer Waffen jetzt?
Sie müssen sich darauf einstellen, dass ihnen die beantragte Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer halbautomatischen Jagdwaffe mit wechselbarem Magazin von den Waffenbehörden nicht erteilt wird. Dies wird vermutlich so lange der Fall sein, bis eine bundesrechtliche Klarstellung zur Verwendung solcher Waffen bei der Jagd, etwa im Rahmen der anstehenden Novellierung des Bundes-jagdgesetzes, erfolgt ist.
Und was machen Besitzer mit ihrer waffenrechtlichen Eintragung?
Den Inhalt des in Kürze zu erwartenden Erlasses des Landesinnenministeriums kenne ich noch nicht. Jedenfalls kann ich nicht ausschließen, dass den legalen Besitzern von halbautomatischen Waffen auch in NRW die entsprechende Erlaubnis entzogen werden soll.
Wollen Gerichte und Politik legale Waffenbesitzer scheibchenweise mürbe machen?
Konkret bezogen auf die in Zweifel gezogene Rechtmäßigkeit bestimmter halbautomatischer Jagdwaffen vermag ich eine Verschärfungsstrategie des Gesetzgebers nicht zu erkennen, da die aktuelle Diskussion allein durch die fragwürdige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts losgetreten wurde. Dennoch ist jetzt vor allem der Bundesgesetzgeber gefragt. Er muss schnellstmöglich Klarheit schaffen über Art und Umfang der rechtmäßigen Verwendung halbautomatischer Waffen bei der Jagdausübung. Dazu bietet die im Mai im Bundestag anstehende Debatte zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes die passende Gelegenheit. Wenn die Regierungsfraktionen diese Chance nicht nutzen, also mehrere zehntausende Besitzer legal erworbener halbautomatischer Jagdwaffen im Regen stehen lassen, dann würden sie – auch mit Blick auf die im Herbst 2017 anstehende Bundestagswahl – bei vielen Jägern und Sportschützen massiv an Glaubwürdigkeit verlieren.