Lustiges JagdrechtDas Jagdrecht ist ganz offensichtlich immer noch für viele ein Buch mit 7 Siegeln, sogar für jagende Oberstaatsanwälte. Der nachfolgende Fall gehört deshalb sicherlich als Nr. 11 in unser Büchlein „Lustiges Jagdrecht“, weil er sich mit dem erkennbar schwierigen Begriff des „Nachstellens“ befasst. Er hat sich im Dezember 2015 im schönen Saarland abgespielt wie folgt:

Der Fall

Ein nichtjagender Mensch hat auf seinem eigenen Grundstück eine Lebendfalle zum Fang von Füchsen aufgestellt. Das Grundstück ist ein befriedeter Bezirk, die Falle war nicht fängisch gestellt (die Klappen waren zwar geöffnet, aber die Bügel waren gesichert); ob sie eine erlaubte Falle war, ist nicht bekannt.

So weit so zunächst mal harmlos.

Das Rechtsproblem

Kurz vor Weihnachten ereilt den Fallensteller eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, mit welcher der sachbearbeitende Oberstaatsanwalt Folgendes zu Papier bringt:

„Der Angeschuldigte hatte trotz fehlender Jagdausübungsberechtigung versucht, mittels Fallen Füchse aus der freien Natur … auf sein Gelände zu locken und zu fangen. Der Angeschuldigte wird daher beschuldigt, unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts dem Wilde nachgestellt zu haben – strafbar als Jagdwilderei gem. dem § 294 Abs. 1 Nummer 1, Absatz 2 Nummer 2 Satz 2 Strafgesetzbuch.

Wer hat Recht?

Wie zumindest die Leser dieses Jagdrechtsblogs sofort und unschwer erkennen werden, enthält dieser überschaubare Vorwurf gleich mal mehrere bemerkenswerte Probleme:

  •         Die Vorschrift gegen Jagdwilderei ist natürlich nicht § 294 StGB, sondern § 292 – na ja, wahrscheinlich ein Druckfehler.
  • Aber: nach § 294 StGB wird eine Jagdwilderei nur
    • auf Antrag des Verletzten (das wäre hier der Jagdausübungsberechtigte des an den befriedeten Bezirk angrenzenden Jagdbezirks) verfolgt, wenn sie … an einem Ort begangen worden ist, wo der Täter die Jagd … in beschränktem Umfang ausüben durfte“
  • Von einem derartigen Antrag sagt die Anklageschrift nichts! Wo ist er? Fehlt er etwa? Dann lag ein Strafverfolgungshindernis vor, und es könnten allenfalls noch Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den Fallen verfolgt werden. Auch davon aber liest man nichts!
  •          „Fehlende Jagdausübungsberechtigung“ – in seinem befriedeten Bezirk war der Fallensteller beschränkt jagdausübungsberechtigt gem. § 4 SJG im Sinne des § 294 StGB!
  •          Was genau soll er denn verletzt haben, das „fremde Jagdrecht“ oder das „fremde Jagdausübungsrecht? So ist zwar der Wortlaut des § 292 StGB, aber inzwischen wissen wir alle, dass diese Vorschrift das „fremde Jagdausübungsrecht“ schützt, nicht das Jagdrecht – das ist nur dann geschützt, wenn kein Jagdausübungsrecht, auch kein eingeschränktes, besteht. Im Fall meint die Staatsanwaltschaft das Jagdausübungsrecht des angrenzenden Jagdausübungsberechtigten – von dem sie aber in der Anklage nichts sagt.
  •  –        …„dem Wilde nachgestellt“ – da liegt der Knackpunkt dieses Falles! Die Anklage versteht unter Nachstellen schon das Aufstellen von fängisch gestellten beköderten (sonst kein „Anlocken“) Fallen, weil zum „Nachstellen“ eben auch gehöre, dass man Handlungen begeht, die einen Fang oder eine Tötung unmittelbar vorbereiten sollen.

Das entspricht interessanter Weise der zur Zeit herrschenden Rechtslehre und wird deshalb auch von Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht Fischereirecht 4. Aufl, dort Rdz. 5 zu § 292 StGB i. V. m. Rdz. 13 zu § 1 BJagdG sowie von Schuck, BJagdG, dort Rdz. 5 zu § 23 BJagdG, vertreten. Dazu: Kirrungen fallen nicht darunter, obwohl sie durchaus Wild aus den Nachbarrevieren anlocken können – wohl, weil die nicht ohne weitere Jagdhandlung wie Erlegen zum Erfolg führen können. Das ist etwas merkwürdig aber absolut systemgerecht, und würde im Übrigen auch von § 294 StGB erfasst; der ist eben die notwendige Korrekturvorschrift.

Damit hätte in diesem Punkt zunächst mal – und nach der reinen Lehre – der Herr Oberstaatsanwalt Recht, wenn er nicht den § 294 StGB vergessen hätte, und wenn er nicht übersehen hätte, dass die Falle nicht fängisch gestellt war.

Also: so ganz bedenkenfrei und jagdrechtlich sauber ist das Ganze nicht, und für einen jagenden Juristen auch nicht gerade beeindruckend. Und wir wollen dann auch stark hoffen, dass der jagende Herr Oberstaatsanwalt nicht mal versehentlich einen Nachbarbock vor die eigene Büchse blattet! Wenn er den schießt, kann er im Zuge der Selbstanzeige gleich mal seinen Jagdschein abgeben, oder?

Das nennt man im Jagdrecht: „Mit Kanonen auf Spatzen schießen!“.

Ihr

Dr. Wolfgang Lipps

Spatzenkanone

Empfohlene Artikel