Als ob wir Jäger nicht schon genug Gegner hätten – Naturschützer, Tierschützer, Veganer, Behörden und den Wolf und den Biber, um nur mal einige zu nennen. Aber nein, wir (oder jedenfalls in Brandenburg einige von uns) haben jetzt einen neuen Feind ausgeguckt: den Waschbären. Der wurde ca. 1934 erstmals in Hessen ausgesetzt und ist inzwischen auch mehrmals aus Haltungen entwischt; da er sich schnell über ganz Deutschland verbreitet hat, gehört er, obwohl ein Neuankömmling, inzwischen zur heimischen Fauna. Nach Schätzungen lebt in Deutschland inzwischen etwa eine halbe Million Waschbären, die meisten in Hessen und Brandenburg, wo sie die schönsten für sie geeigneten Biotope vorfinden. Dort vermehren sie sich prächtig!
Der Waschbär – schädlich oder nur lästig?
Der Waschbär war bisher in erster Linie in der Stadt äußerst lästig – wo man ihn aber nicht jagen kann – und gilt landauf landab als Schädling. Da er richtigerweise im Jagdrecht steht, im Gegensatz zum Wolf und zum Biber (die dringend da hinein gehörten), wird er seit Jahren ordentlich bejagt.
Ob er schädlich ist, und in welchem Umfang, ist in der Wissenschaft und Jagdpraxis längst noch nicht geklärt. Seine Hauptnahrungsmittel sind jedenfalls Pflanzen, Würmer, Kerbtiere usw., aber gelegentlich eben auch Kleinsäuger und Jungtiere. Der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes meint, Waschbären bedrohten geschützte Arten wie Singvögel und Sumpfschildkröten. Beweise dafür gibt es eher nicht.
Der Jagdhundkiller!
Aber jetzt wird eine neue Sau durchs Dorf oder besser ein neuer böser Waschbär durch den Blätterwald getrieben: „Natürlich Jagd“, die website der Jägerstiftung natur+mensch, meldet am 05.02.15:
Brandenburgs Jäger sind in Alarmbereitschaft. Waschbären treiben ihr Unwesen in der Region und greifen nun sogar Jagdhunde an. Einige Hunde sind den Raubtieren bereits zum Opfer gefallen. Mit einem schnellen, gezielten Nackenbiss ist es den Waschbären möglich die Hunde zu überwältigen. Nun ist die Sorge groß, dass die Waschbärenpopulation und die Angriffe zunehmen.
Der Landesjagdverband Brandenburg, von dem diese „alarmierende Meldung“ stammt, hatte nämlich aufgeschrien, Waschbären hätten in letzter Zeit bereits 5 Jagdhunde totgebissen und müssten deshalb konsequent bejagt werden. Da halten die selbsternannten Tierschützer natürlich flugs dagegen und legen noch eine Schippe drauf. Der bmt Bund gegen Mißbrauch der Tiere in Berlin steuert, in zweifelhaftem Deutsch, die verblüffende Erkenntnis bei:
„Jeder jagdliche Eingriff auf eine (gemeint ist: in eine) Wildtierpopulation hat gravierende Folgen auf (oder vielleicht: für?) die Reproduktionsrate: So führt eine intensive Verfolgung zur unkontrollierten Ausbreitung und ist damit kontraproduktiv, wie auch Studien belegen“, so Claudia Lotz.
Das ist natürlich einigermaßen verquer argumentiert, denn Waschbären (oder Sauen) breiten sich nicht wegen intensiver Jagd aus, sondern aus anderen Gründen (Lebensraum, Populationsdichte, Fraßangebot, Prädatorendruck usw.), und wie sich eine Wildtierpopulation „kontrolliert“ ausbreiten kann, ist auch schwer einzusehen. Egal – jedenfalls halten die Tierschützer das Ganze für ein gezieltes „Mobbing gegen Waschbären“. Die würden sich halt nur gegen Jagdhunde wehren, die im Eifer der Schwarzwildjagd im Schilf auf sie stoßen (wo sie nach Ansicht des LJV Brandenburg auch noch ihr „Unwesen“ treiben!).
Eine unnötige Diskussion um eine nötige Bejagung.
Waschbären, wie übrigens auch Marderhunde, sind zwar Neuankömmlinge, aber sie sind nun mal Teil unserer Natur geworden und werden bleiben. Ihre hohe Vermehrungsrate verbunden mit der schwierigen Bejagung führt natürlich dazu, dass sie sicherlich regional erträgliche Populationsdichten übersteigen können und dabei gelegentlich auch den (nützlichen) Fuchs verdrängen. Auch wird wohl das eine oder andere geschützte Tier ihr Opfer, ohne dass das bisher den Bestand dieser Tiere erkennbar bedroht. Da wir Jäger gehalten sind, durch die jagdliche Hege einen gesunden und artenreichen Wildbestand in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Biotop zu erhalten, müssen wir in den Bestand an Waschbären ebenso wie in den an Marderhunden – und ebenso in den an Schwarzwild – regulierend eingreifen.
Genau wie bei Schwarzwild heißt das aber angesichts der hohen Vermehrungsrate: scharf bejagen! Das Brandenburger Umweltministerium lehnt die Lebendfalle in Gewässernähe oder in Naturschutzgebieten wegen der Gefahr von Otterfängen ab, was die Bejagung natürlich einschränkt, aber unsere Erfahrung in unserem Lehr- und Forschungsrevier „Lieper Vorwerk“ im Oderbruch zeigt, dass man mit der Büchse insbesondere an Schwarzwildkirrungen, die gern von Waschbären aufgesucht werden, erfreuliche Erfolge erzielen kann.
Also: konsequent aber mit Augenmaß bejagen! Das ist immer richtig.
Ihr Dr. Wolfgang Lipps