Politischer Aktionismus

Wann immer es in Deutschland irgendwo zu einer Straftat mit Schusswaffen kommt, entsteht bei der Politik sofort ein „Pawlowscher Reflex“ – nämlich die sofortige Forderung nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Das allerdings ist nur das Recht des legalen Erwerbs und Besitzes von Waffen. Es gibt 5,83 Millionen legale Waffen in Deutschland und die gehören zu 2,31 Millionen waffenrechtlichen Erlaubnissen; Eine Million Leute besitzen in Deutschland legal mindestens eine Waffe. Was allerdings die Zahl der illegalen Waffen in Deutschland angeht, so schwankt diese Schätzung zwischen mindestens 20 Millionen und durchaus auch 40 Millionen Stück.

Straftaten und legale Waffen

Leider wird in Deutschland statistisch nicht erfasst, ob und in welcher Anzahl legale Waffen an der Begehung von Straftaten beteiligt sind, wie auch Prof. Pfannenstiel beklagt.

Im Jahr 2014 wurden gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt 6.082.064 Straftaten registriert. Lediglich in 0,2% der Fälle waren Schusswaffen involviert. Im Zusammenhang mit Straftaten wurden insgesamt 443 Waffen an Tatorten sichergestellt, wovon 75,7% (335) erlaubnisfrei und 24,3% erlaubnispflichtig waren. Nur 5 erlaubnispflichtige Schusswaffen (4,9%) waren legal besessen, dagegen über 95% in illegalem Besitz.. 4 % der beschlagnahmten Schusswaffen wurden von ihrem rechtmäßigen Besitzer zu einer Straftat (meist einer Beziehungstat) benutzt. Auch das Bundesministerium des Inneren erklärt noch in seinem Bericht an die Innenministerkonferenz der Bundesländer vom 13. Oktober 2014, dass es „die Deliktsrelevanz legal besessener Feuerwaffen, die (auch) beim sportlichen Schießen Verwendung finden, als gering  bewerte.

Mit anderen Worten: der Anteil der legalen Schusswaffen bei einer Straftat ist so verschwindend gering, dass er nicht einmal statistisch erfasst wird und deshalb eigentlich keiner weiteren rechtlichen Aufmerksamkeit bedarf.

Bundesrat fordert Verschärfung des Waffenrechts

 Der Bundestag hat eine Stellungnahme (Drucksache 363/19) zum “Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften (Drittes Waffenrechtsänderungsgesetz – 3. WaffRÄndG)” veröffentlicht. Er fordert eine Verschärfung des Waffenrechts: Personen, die vom Verfassungsschutz beobachtet (!) werden, sollen grundsätzlich als waffenrechtlich unzuverlässig gelten. Dies geht aus seiner Stellungnahme vom 20.09.2019 zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung hervor, der der Umsetzung einer EU-Richtlinie über Kontrolle des Erwerbs und Besitzes von Waffen in nationales Recht dient. Reichsbürgern, Links- und Rechtsextremisten sowie religiösen Fanatikern könnte so leichter der Waffenschein entzogen oder gar nicht erst erteilt werden, so die Ländervertretung. Waffenbehörden sollen nach den Plänen des Bundesrats künftig immer eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz durchführen, um die Zuverlässigkeit eines Antragstellers umfassender als bisher zu überprüfen. Bislang holen die Behörden Auskünfte beim Bundeszentralregister, bei den zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregistern und den örtlichen Polizeidienststellen ein. Stelle sich heraus, dass eine Person vom Verfassungsschutz beobachtet wird, solle sie grundsätzlich keine Erlaubnis zum Umgang mit Waffen erhalten.

Diese Forderung ist allerdings nicht neu – zur Regelabfrage beim Verfassungsschutz hatte der Bundesrat bereits am 02.03.2018 einen Gesetzentwurf beschlossen (BR-Drs. 39/18 (B)) und beim Deutschen Bundestag eingebracht. Dieser hat bislang noch nicht über den Vorschlag entschieden.

So wichtig war das also bislang nicht!

Wer vertraut denn dem Verfassungsschutz oder den Geheimdiensten?

Der Bundesrat meint:

“Angesichts der enormen und zunehmenden Gefahren, die von einem legalen Waffenbesitz, insbesondere von Rechtsextremisten, ausgehen, bedarf es dringend der Regelung, dass eine Speicherung als Extremist bei einer Verfassungsschutzbehörde des Bundes oder der Länder zur Tatbestandserfüllung der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausreicht. Nur so kann sichergestellt werden, dass dort, wo relevante sicherheitsbehördliche Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen vorliegen, die aus nachrichtendienstlichen Gründen nicht vorgehalten werden können und allein deshalb notwendige rechtliche Konsequenzen unterbleiben, in das waffenbehördliche Verfahren zur Versagung oder Entziehung einer Erlaubnis eingeführt werden können“.

Nun haben uns allerdings Erlebnisse der verschiedenen Untersuchungsausschüsse im Amri-Verfahren gezeigt, was wir von der Arbeit, den Erkenntnissen und der allgemeinen Haltung des Verfassungsschutzes und der verschiedenen Geheimdienstbehörden zu halten haben: es wird miserabel gearbeitet, Offensichtliches wird übersehen, Unnötiges wird vermerkt, notwendige Maßnahmen werden unterlassen oder aufgeschoben, und im Zuge der legalen Nachprüfung der Arbeiten dieser Behörden werden Erkenntnisse unterdrückt und verheimlicht, Akten vernichtet, Politiker irregeführt und die Bevölkerung nach Strich und Faden belogen!

Da darf man dann mit Fug davon ausgehen, dass sich in dem Wust von Unterlagen dieser Behörden zahlreiche auch unbescholtene Personen wiederfinden. So wird dann mancher erstaunt sein, wenn er in einen Schützenverein eintreten oder Jäger werden will und erfahren muss, dass er irgendwo einen nicht weiter aufgedeckten Eintrag gegen sich gelten lassen muss und eine Waffenerlaubnis leider nicht erhält.

Das wars dann.

Die gesetzliche Regelung – dann und heute

Die Bestimmung wird wie bisher im Katalog der Unzuverlässigkeitsgründe angesiedelt, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zur Folge haben, dass eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzt (Regelunzuverlässigkeit).

Es soll somit eingefügt werden:

Unzuverlässig sind Personen

„3. a) über die personenbezogene Daten zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern nach§ 3 Absatz 1 und § 10 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder aufgrund entsprechender landesgesetzlicher Vorschriften durch die Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder gespeichert sind…

In schönem Zynismus fährt der Bundesrat fort:

„Es handelt sich um eine widerlegbare Vermutung (sogenannte Regelvermutung). Das Rechtsschutzversprechen des Artikels 19 Absatz 4 GG wird dadurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Im Waffenrecht gilt das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das heißt, der Besitz, das Tragen und so weiter von Waffen ist grundsätzlich verboten und wird nur im Einzelfall und unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Bei Verboten mit Erlaubnisvorbehalt liegt die Beweislast dafür, dass Ausschlusskriterien nicht eingreifen, beim Antragsteller und nicht bei der Behörde.”

Jetzt könnte man ja denken, der Betroffene könnte dann klagen und feststellen lassen, dass ihm die Waffenerlaubnis zu Unrecht verweigert (oder entzogen) wurde.

Das sieht der Bundesrat zunächst mal so:

Dem nachrichtendienstlich als Extremist gespeicherten Antragsteller wird die waffenrechtliche Erlaubnis nicht grundsätzlich versagt. Ihm wird aber zugemutet, die Rechtmäßigkeit der Erhebung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren rechtsstaatlich einwandfrei überprüfen zu lassen.

Aha, geht doch – denken wir.

Aber dann heißt es beim Bundesrat:

Dass der Antragsteller zudem in dem gesonderten Verfahren – gegebenenfalls mit vorgeschaltetem In-camera-Verfahren – an dort geltenden Beweislastregeln scheitern kann, ist eine Folge der gesetzgeberischen Abwägung zwischen öffentlicher Sicherheit und individuellem Rechtsschutz.

Mit anderen Worten: Du kannst natürlich klagen, aber weil die Beweislast bei Dir liegt, wirst Du leider scheitern – dumm gelaufen, Alter! Heul doch! Klag doch!

Das ist, mit Verlaub, eine rechtsstaatlich verbrämte  Frechheit!

JAWINA meint dazu zu Recht:

Dem Antragsteller wird hier also die Beweislast für ihn betreffende Daten zugeschustert, die mit geheimdienstlichen Methoden erhoben wurden. Wenn das durchkommt, bedeutet es das Ende der Rechtstaatlichkeit in puncto Waffenrecht. Diese Verschärfung ist überdies unnötig, da der Ausschluss von Extremisten vom Waffenbesitz bereits geregelt ist, wie JAWINA-Leser JS kürzlich in einem Kommentar klarstellte:

“Unzuverlässig sind Personen,

  1. bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die
  2. a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
  3. b) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, oder
  4. c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

Fazit:

Viele Wege führen nach Rom, aber noch mehr Wege führen aus dem Rechtsstaat heraus. Wenn dann noch die Rechtspopulisten mal zum Zuge kommen, wird’s erst richtig heiter!

 

Meint Ihr

Sehr besorgter

Dr. Wolfgang Lipps

 

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