Unnötig unergiebig entlarvend – das neue Jagdgesetz in der Diskussion

 

Am 22. Juni 2022 fand in der Brandenburgischen Akademie „Schloss Criewen“ eine Veranstaltung statt zum Thema

„Das neue Jagdrecht in Brandenburg – Planungen, Hoffnungen, Befürchtungen“.

Mit 11 Vortragenden und über 60 Besuchern war der heiße und nicht klimatisierte Raum im Schloss bis auf den letzten Stuhl gefüllt. Der LJV Brandenburg war nicht vertreten.

Erwartbarer Vortragsstoff

Ein Blick auf die Liste der Referenten ließ erwarten, dass die Mehrzahl der Vortragenden Befürworter des inakzeptablen Entwurfs eines neuen Landesjagdgesetzes aus dem MLUK (Ministerium für Landwirtschaft Umwelt und Klimaschutz) sein würden, und so war es denn auch. Nur zwei Vortragende, Dr. Andreas Kinser von der Deutschen Wildtierstiftung und Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, TU Dresden, erläuterten zahlreiche Gründe für Bedenken gegen diesen Gesetzesentwurf.

Auftritt Dr. Leßner

Als Leiter der obersten Jagd- und Forstbehörde kann er mit Fug und Recht als der Vater dieses Entwurfs (hieße demgemäß bei Karl May sicher abu kalam farigh) angesehen werden (farigh heißt übrigens „Unsinn“!). Er hielt demgemäß das „Leit-Referat“:

„Stein des Anstoßes? – Der Referentenentwurf zum neuen Jagdgesetz.“

Er beeilte sich gleich zu Beginn seiner Ausführungen, der allgemein kolportierten Meinung entgegenzutreten, dieser Entwurf sei etwa „verworfen“ oder „zurückgezogen“ worden – im Gegenteil werde er nur überarbeitet und nach der parlamentarischen Sommerpause neu vorgelegt werden; schließlich dränge die Zeit. Ihm zufolge wird es auch im Wesentlichen bei den Grundentscheidungen des bisherigen Entwurfs, die er im Einzelnen kurz aus den veröffentlichten Gründen des Gesetzes erläuterte, bleiben. Die Minibezirke müssten zwar entfallen, aber für die kleinen Waldbesitzer werde natürlich gesorgt.

Ich habe gefragt, ob dieser Entwurf denn vor seiner Veröffentlichung auch juristisch überprüft worden sei. Das, sagte er, sei selbstverständlich geschehen, und das positive  Gutachten eines Verfassungsrechtlers einer renommierten Anwaltskanzlei sei umfangreicher und gehaltvoller als das Gutachten von Prof. Dietlein für den LJV – den Namen des Gutachters wollte er allerdings nicht preisgeben.

Da fragt man sich angesichts unserer Gutachten gegen das Gesetz denn doch glatt: „Was mag dieser Verfassungsrechtler wohl von Beruf sein“?

Der Sekundant

Jeder bedeutende Mensch sollte einen Diener haben. Der von Dr. Leßner hieß in dieser Veranstaltung Eckhard Fuhr – wir hatten schon mal Gelegenheit, ihn vorzustellen; er ist freier Journalist und Mitglied des ÖJV. Er hielt einen Vortrag mit dem schwer verständlichen Titel

„Zurück auf Anfang – warum es heute wichtig ist, sich auf die demokratischen Wurzeln unseres Jagdrechts zu besinnen“.

Seiner etwas verworrenen Ansicht nach ist das heutige Jagdgesetz zwar in der Theorie klar, in der Anwendung aber untauglich. Es sei ein Elitengesetz gegen die bäuerliche Jagd. Die Eigentümer müssten gestärkt und Einrichtungen wie LJV und DJV und dergleichen beseitigt werden. Die (inzwischen längst obsoleten) Minireviere hält Fuhr für einen „bestechend klaren Gedanken“, der „zu Unrecht niedergeschrien“ werde.

Zum übrigen Inhalt des Gesetzes verlor er kein Wort. Wird’s halt nur überflogen und die Argumente der Gegner nicht gelesen haben, wie seine Wortmeldungen nahelegen.

Der übrige Jagdhaufen.

Ziemlich schnell wurde klar: Die meisten Vortragenden waren aus durchsichtigen eigenen Motiven Befürworter der „Kleinrevieridee“ des Entwurfs – sie werden in ihrem Grundbesitz und dem ihrer Mitglieder dadurch begünstigt. Das gilt insbesondere für den Bauernbund Brandenburg, oder für NABU Brandenburg. Dessen 6 Postulate waren teils unverständlich und sind ansonsten mit dem bestehenden Jagdrecht bestens zu erfüllen. Der Waldbesitzerverband Brandenburg verwies auf die Stellungnahmen des Forum Natur. Der Waldbauernverband Brandenburg brach eine leidenschaftliche Lanze für Kleinstreviere.

Mathias Graf von Schwerin, Vorsitzender des ökologischen Jagdvereins Brandenburg, treibt die Sorge um den Wald um – er nennt das „Waldsterben 2.0“. Nach der Landeswaldinventur 2015 seien 53% des Waldes verbissen, von 1952 bis 2014 sei die Schalenwildstrecke um ganze 980% gestiegen. Deshalb könne die natürlich tierschutzgerechte (wie er ganz nebenbei einflocht, was aber mit dem Leßner-Entwurf nicht klappt!) Jagd als der Forstwirtschaft nachrangig nur eine dienende Funktion haben, die Rechte der Jagdpächter sind zu beschneiden, der Grundbesitzer zu stärken. Man diene schließlich 3 Millionen Bürgern und nicht 10.000 organisierten Jägern. Abschusspläne sind unnötig. Aus der Hege muss Jagd werden. Mit Jagd meint er Reduktionsabschuss.

Wie gehabt: aus einem Jagdgesetz soll ein Schädlingsausrottungsgesetz werden, das durch die Forstdienerschaft, die Jäger, exekutiert werden soll.

Schöne neue Welt.

Kritische Stimmen

Wie erwähnt, arbeitete Dr. Kinser im Bezug auf eine Reihe von Vorschriften des Entwurfs die inneren logischen Brüche, Widersprüche und jagdlichen und organisatorischen Bedenken heraus. Prof. Herzog führte das insbesondere mit Hinweisen auf das Eigentumsrecht, die Artenvielfalt und das Gebot der Nachhaltigkeit weiter aus.

Unser Schlusswort auf der Veranstaltung

Wir haben uns gemeldet und bedauert, dass zu dieser Veranstaltung kein Jurist geladen war und wiesen auf die zahlreichen vorprogrammierten Rechtsverstöße und unser Gutachten hin – zu denen müsse sich doch der unbekannte juristische Gutachter des Ministeriums geäußert haben. Wir haben darauf abgehoben, dass alle wesentlichen Rechtsbestimmungen – Tierschutz, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Hege – in Bundesrecht, dem Grundgesetz, dem Europarecht und sonstigen Rechtsvorschriften verankert sind.

Die sind dem Zugriff des Landesgesetzgebers entzogen.

Und der Versuch, ein rechtswidriges Gesetz zu basteln, ist jetzt, nachdem die juristischen Bedenken laut werden, wohl ein ziemlicher Verstoß gegen den Amtseid, den die Herren Beamten geleistet haben.

Obwohl Dr. Leßner sich zwischenzeitlich oft zu Wort meldete, nahm er hierzu nicht Stellung. Auch kamen nur wenige Beiträge aus dem Kreis der Zuhörer. Kein einziger Beitrag ging auch nur ansatzweise in die Tiefe oder ins Detail, ausgenommen die Vorträge Kinser und Herzog.

Fazit somit: Außer Spesen nichts gewesen!

Ihr Dr. Wolfgang Lipps

 

Exkurs:

Zu den rechtlichen Grundlagen des Jagdrechts und der Jagdkultur habe ich am 18. Juni auf der Jahrestagung des Forum Lebendige Jagdkultur einen Vortrag gehalten, den ich hier beifüge.

Viel Feind viel Ehr? Positionsbestimmung unserer Jagd zwischen Tradition Moderne und Untergang.