Die neue Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz Brandenburg vom 28. Juni 2019 sieht bekanntlich in § 4 u.a. vor:

–       (4) Für Rot- Dam- und Muffelwild gilt der Abschussplan für die Altersklassen 0 und 1 als Mindestabschuss.

–       (6) bei einer erhöhten Wildschadenssituation gem. Absatz 1 erfolgt die Bestätigung oder Festsetzung von Abschussplänen für weibliches Rot- Dam- und  Muffelwild als Mindestabschussplan.

Wir haben uns in mehreren Blogbeiträgen gegen diese Vorschrift gewandt und sie für rechtswidrig gehalten, so bereits am 13.10.2016, und dann am 7. März, am 20.Mai, am 3.Juli und letztlich mit unserer „Streitschrift gegen die Ausrottung des Schalenwilds durch die Forstpartie“ vom 31. August 2019. Die finden Sie hier in der Rubrik „Recht“.

Aber der Hund bellt und die Karawane zieht weiter.

Und der LJV lässt Wild und Jäger im Stich!

Deshalb haben wir jetzt ein Rechtsgutachten erstellt, das auf 30 Seiten nachweist, dass der brandenburgische Mindestabschuss rechtswidrig ist. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis:

  • § 4 Abs. 4 und 6 der DVO zum Landesjagdgesetz Brandenburg verstößt gegen die in Paragraf 1 Abs. 1 und 2 Bundesjagdgesetzes und im Landesjagdgesetz enthaltene Hegepflicht und damit auch gegen die Grundsätze der deutschen Weidgerechtigkeit. Die Vorschrift verstößt darüber hinaus gegen das Tierschutzrecht. Sie ist nichtig und aufzuheben.
  • Zugleich ergibt sich: Der Slogan „Wald vor Wild“ ist unvertretbar – das Jagdrecht fordert insbesondere durch die Bedeutung der Hegepflicht eindeutig ein aktives Bekenntnis zu „Wald und Wild“.

Dazu bieten wir einfache Lösungsvorschläge – schaun wir mal, ob sich die Forstpartie und der neue Minister überzeugen lassen. Nötig wärs – der Jagd und dem Wild zuliebe.

Das Gutachten finden Sie hier zum Download: Gutachten zur DVO LJagdG Bbg als WORD-Datei.

oder nachstehend als PDF zum Durchlesen.

Gutachten zur DVO LJagdG Bbg

 

Beste Grüße, Weidmannsheil, und schöne Feiertage.

Ihr

Dr. Wolfgang Lipps

Nachtrag vom 5. November 2022

OVG Berlin-Brandenburg – Mindestabschussplan rechtmäßig

 In seinem Urteil vom 19.07.2022 – OVG 12 A 2/21 hatte das OVG Berlin-Brandenburg Gelegenheit, sich auch mit dem Mindestabschussplan der DVO Brandenburg zu befassen. Es hält diesen für rechtmäßig.

Der Kläger Prof. Dr. Pfannenstiel hatte u. a. vorgetragen:

Auch die Regelungen in § 4 Abs. 4 und 6 BbgJagdDV griffen in die gesetzlichen Regelungen über die Erstellung von Abschussplänen ein, weil sie den Plan für die Altersklassen 0 und 1 bzw. – bei erhöhter Wildschadenssituation gemäß 4 Abs. 1 BbgJagdDV – für die weiblichen Tiere als Mindestabschuss definiere, darüber hinaus also einen unbegrenzten und unkontrollierten Abschuss zulasse. Das verkehre die gesetzliche Intention eines regulierenden Abschusses in ihr Gegenteil. Selbst wenn er, der Antragsteller, es in seinem Revier bei der Erfüllung eines sachgerechten Abschussplanes belasse, eröffne ein Mindestabschuss in den Nachbarrevieren einen letztlich unbegrenzten Abschuss bar jeder Anforderungen an eine wildbiologisch gebotene Dezimierung.

Das Gericht hat dementgegen entschieden, die Regelung sei rechtskonform, und begründet das wie folgt (Fettdruck von uns):

Eine Mindestabschussregelung ist aber innerhalb der Bejagungsregelungen kein Freibrief, den gesamten Bestand zur Strecke zu bringen. Vielmehr hat jeder Jagdausübungsberechtigte stets seine Verantwortung für die Hege des Wildes, namentlich für einen artenreichen und (in jeder Hinsicht) gesunden Wildbestand (§ 1 Abs. 2 BJagdG) in seinem Revier wahrzunehmen und auch unter Eingreifen einer Mindestabschussregelung im Blick zu behalten. Damit ist es nicht zu vereinbaren, den Bestand bevorzugt nach Trophäenträgern zu reduzieren, vielmehr sind wildbiologische Erfordernisse bei der Auswahl ggf. über den Abschussplan hinaus zu erlegender Tiere zu beachten.

Mit anderen Worten: die Regelung sei schon von sich aus begrenzt durch die Verpflichtung eines jeden Jägers, einen gesunden Wildbestand zu hegen; der sei eben immer die Obergrenze.

Das halten wir für falsch.

Rotwild lebt nicht territorial sondern zieht über weite Strecken und ist stets in großräumiger Bewegung. Nicht einmal eine Hegegemeinschaft, geschweige denn ein einzelnes Revier, bietet den Jagdausübungsberechtigten die Möglichkeit, alle für die Hege der jeweiligen Population bestimmenden Parameter (Geschlechterverhältnis, Rudelstärke, Rudelzusammensetzung usw.) im Blick zu haben. Es ist dem einzelnen Jäger völlig unmöglich, auch bei bester Vernetzung innerhalb einer Hegegemeinschaft, sicher zu entscheiden, ob mit der Erlegung eines einzelnen Stückes vielleicht schon die Mindestgrenze der Hege unterschritten wird. Eine „Verantwortung für die Hege des Wildes … in seinem Revier“ kann kein einzelner Jäger übernehmen.

Das OVG unterstellt somit eine Abschuss-Obergrenze, die es im Jagdgeschehen auch bei größter Sorgfalt nicht geben kann. Sie kann somit die Rechtmäßigkeit des Mindestabschusses nicht herstellen.

Es ist zu hoffen, dass eine Revision des noch nicht rechtskräftigen Urteils dies in der Tat revidiert.

Dr. Wolfgang Lipps

 

 

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