Nachtjagd
In der Bundesrepublik Deutschland ist es nach § 19 Abs. 1 Ziffer 4 BJagdG verboten, Schalenwild, ausgenommen Schwarzwild,…zur Nachtzeit zu erlegen; als Nachtzeit gilt die Zeit von eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang bis eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang; … Grundsätzlich ist also die Nachtjagd im Wesentlichen nur für die Bejagung des Schwarzwildes von Bedeutung.
Gerade hier aber liegt heutzutage ein Schwerpunkt der Jagd. Der Bestand an Schwarzwild nimmt rapide zu und ist mit den bislang zulässigen Jagdmethoden so gut wie nicht mehr zu regulieren. Das muss er aber, und zwar nicht nur zur Verhütung von Wildschäden, sondern auch im Hinblick auf Wildkrankheiten wie insbesondere die afrikanische Schweinepest, die aus dem Osten kommend sich langsam in Richtung der Bundesrepublik Deutschland ausbreitet. Deshalb mehren sich die Stimmen in Literatur und Jagdpraxis, Erleichterungen für die Nachtjagd auf Schwarzwild gesetzlich vorzusehen.
Rechtslage
Das Bundesjagdgesetz verbietet beim Erlegen von Wild die Verwendung von Nachtzielgeräten, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind. Gem. § 2 Abs. 3 WaffG i. V. m. dessen Anlage 1 Unterabschnitt 1 Ziff 4.3 (Definition) und Anlage 2 Ziff 1.2.4.2 und § 19 Abs. 5a BJagdG ist es streng verboten, ein zur Nachtsicht geeignetes Gerät (Nachtsicht- oder Wärmebildoptik) in Verbindung mit einer Waffe, etwa durch Adapter, Montagen, oder in sonstiger Weise zum gezielten Schießen zu verwenden. Geschieht dies, ist nicht nur die Verwendung selbst bußgeldbewehrt, sondern mit der Einrichtung als Zieloptik für eine Waffe, in welcher Weise auch immer, wird der bis dahin legale Besitz ebenfalls verboten. Verstöße gegen das Verbot können zur Einziehung der Optik und der verbundenen Waffe, und dem folgend sehr wahrscheinlich zum Verlust von Jagdschein, WBK und, wenn gegeben, Verlust eines gepachteten Jagdreviers führen.
Verwaltungspraxis
Richtungweisend war das sog. „Jagdlampenset-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts 6 C 21.08 vom 24. Juni 2009. Dieses Urteil hat leider das „Halbautomaten-Urteil“ desselben BVerwG völlig außer Acht gelassen.
Zunächst: das Bundeskriminalamt (BKA) entscheidet „auf Antrag bestimmter Personen und Behörden bei Zweifeln darüber, ob ein Gegenstand vom Waffengesetz erfasst wird oder wie er nach Maßgabe der Begriffsbestimmungen in Anlage 1 Abschnitt 1 und 3 und der Anlage 2 einzustufen ist (§ 2 Abs. 5 Satz 1 und 2 WaffG).“
Das Gericht sagte dann einschränkend hierzu: Gegenstände unterfallen dem (eng auszulegenden) Verbot aber immer nur dann, wenn „sie von den Personen, die mit ihnen Umgang haben, in einen waffenrechtlich unzulässigen Verwendungszusammenhang hineingestellt werden, wenn diese also mit ihnen zu einem vom Waffengesetz missbilligten Zweck umgehen. Aus diesem Grund entziehen sie sich der Konkretisierungsbefugnis des Bundeskriminalamts nach § 2 Abs. 5 WaffG; denn diese Befugnis ist nach dem Gesagten auf die Beurteilung von Gegenständen und ihres Verbotenseins bezogen, nicht aber auf die Beurteilung von Verhaltensweisen und Handlungsformen beim Umgang damit. Die Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 5 WaffG wird durch den Umstand bestätigt, dass die Beurteilung der Zweckbestimmung, die statt an die Sache selbst an das Verhalten von Personen anknüpft, regelmäßig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beeinflusst wird.“ (Fettdruck von mir).
Mit anderen Worten: wenn ein Gegenstand sowohl waffenrechtlich unerlaubt als auch für andere erlaubte Zwecke verwendet werden kann (sogenannte „dual use“ oder „multiple use“ Geräte), dann unterfällt er nicht dem Verbot und das BKA muss seinen Besitz und seine Verwendung erlauben.
Nachtzielgeräte sind deshalb legal, wenn sie auch freihändig zur Beobachtung oder als Vorsatz zu Kameras oder Ferngläsern verwendet werden können. Als Zielgeräte, auch als Vorsatz mit Klemmadapter am Objektiv des Zielfernrohrs, sind sie streng verboten.
Die trickreiche bayerische Lösung
Der bayerische Landtag hatte mit Beschluss Drs. 17/4811, 17/5375 vom 03.03.2015 die Landesregierung aufgefordert, „die Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine zulässige Verwendung von Nachtzieltechnik (Nachtzielgeräte sowie fest mit der Waffe verbundene künstliche Lichtquellen) in besonderen Problemregionen für eine ausgewählte, besonders geschulte Personengruppe zur Bejagung von Schwarzwild zu erwirken.“ (Fettdruck von mir).
Der bayerische Staatsminister für Ernährung Landwirtschaft und Forsten vertritt daraufhin in seinem neuesten Schreiben vom 22.03.2016 an die Präsidentin des bayerischen Landtags die interessante Rechtsmeinung, dass in bestimmten Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich befristete persönliche Genehmigungen an einzelne Jagdausübungsberechtigte ergehen könnten, Nachtziel-Vorsatzgeräte mit Adapter am Objektiv von Zielfernrohren ausschließlich zur Schwarzwildjagd zu verwenden.
Die verblüffende Lösung: „Nach § 40 Abs. 2 WaffG ist das waffenrechtliche Verbot des Umgangs mit Waffen nicht anzuwenden, soweit jemand auf Grund eines behördlichen Auftrags gem. § 40 Abs. 2 WaffG tätig wird…. Die rechtliche Prüfung hat ergeben, dass die zuständige Jagdbehörde befugt ist, bei Vorliegen der jagdrechtlichen Voraussetzungen sowohl die jagdrechtliche Ausnahmegenehmigung nach Art. 29 Abs. 5 Satz 2 BayJG zu erteilen … als auch bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen mit einem entsprechenden Auftrag nach § 40 Abs. 2 WaffG die waffenrechtliche Legitimation zu schaffen.“ (Fettdruck von mir).
Mit anderen Worten: In Bayern jedenfalls kann bestimmten Revierinhabern unter bestimmten Voraussetzungen und ausschließlich für die nächtliche Saujagd ein befristeter behördlicher Auftrag zur Schwarzwildbejagung unter Verwendung von mit Klemmadaptern am Zielfernrohr angebrachter Nachtzieltechnik – Nachtsicht oder Wärmebild – erteilt werden. Der Trick ist also der Auftrag! Das Bundesministerium des Inneren ist einverstanden. Das BKA hat damit nichts zu tun.
Ein sicherlich einigermaßen seltener Anwendungsfall insbesondere auf der Grundlage des Landesjagdgesetzes Bayern, aber durchaus richtungweisend und, wie gesagt, ganz schön pfiffig!
Ihr
Dr. Wolfgang Lipps