In zwei hoch interessanten Beiträgen befasst sich JÄGER in Heft Nr. 10 vom Oktober 2014 mit den ernsten Bedrohungen, denen die Jagd, so wie wir sie lieben und betreiben, zunehmend ausgesetzt ist. Alexander Schwab fragt, wie bedroht die Jagd sei, und stellt einen „schleichenden Zeitgeist“ – merkwürdiges Bild! – fest, der darauf hinausläuft, dass die zunehmende Betonung von zumeist höchst willkürlich postulierten Tierrechten für die Tierrechtsbewegung, also die Antijagdbewegung, eine Deutungshoheit erzeugt, die letztlich die Abschaffung der Jagd bewirken könnte.
Anschließend wird es dann juristisch präzise, denn unter dem Titel „Dürfen wir Tiere töten?“ diskutieren Dr. Florian Asche, Jäger und Rechtsanwalt, und der emeritierte Rechtsprofessor Dr. Günter Hager, ob die Jagd eigentlich rechtmäßig sei, und machen das richtiger Weise am „vernünftigen Grund“ des Tierschutzgesetzes fest.
Schwab hat Recht.
Die Überlegungen von Schwab sind zum einen richtig, und sie müssen uns zum anderen stark beunruhigen. Sie machen deutlich, dass wir, wenn wir die Jagd weiter betreiben wollen, uns erheblich stärker in der Öffentlichkeit darstellen müssen, und erheblich besser argumentieren müssen, wenn wir den simplen aber populistisch eingängigen und dennoch weitgehend teils falschen teils verkürzten Behauptungen der Jagdgegner begegnen und die Deutungshoheit zurückgewinnen oder zumindest denen entreißen wollen.
Da ist es, mit Verlaub, fünf Minuten vor zwölf!
Die Diskussion aber verfehlt leider das Thema.
Die Diskussion von Dr. Asche mit Prof. Hager hingegen lässt uns ratlos zurück. Denn Hager kann die Jagd nicht richtig juristisch rechtfertigen, und Asche argumentiert ganz schön am Thema vorbei.
Wie das?
Beide sind sich in der einfachen Rechtsgrundlage einig. Auch nach dem Jagdrecht hat das Tierschutzgesetz Vorrang, zumal der Tierschutz inzwischen Verfassungsrang hat. Danach aber darf ein Wirbeltier nur aus „vernünftigem Grund“ getötet werden. Nun sind wir Jäger, bislang weitgehend unreflektiert, der Ansicht, die gesetzeskonform ausgeübte Jagd sei eben der „vernünftige Grund“, und deshalb dürften wir Tiere töten, ohne gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen.
Hager stellt das in Frage, und zwar mit der simplen Feststellung: vernünftig wäre die Erlegung nur, wenn das Interesse des Jägers am Eingriff in die Natur die Interessen des Tieres überwiegen würde; aber das „Erlebnisinteresse an der Jagd … kann schon aus Verfassungsgründen das Lebensinteresse des Tieres nicht überwiegen“.
Der Jurist Hager sieht mithin in der Jagd keinen vernünftigen Grund, und damit einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Die Gegner der Jagd wird das erfreuen, denn eine schöne juristische Rechtfertigung ihrer überwiegend kruden Unternehmungen hat ihnen erkennbar gerade noch gefehlt!
Dem kann Asche nur entgegnen, die Frage nach dem „vernünftigen Grund“ sei nun leider „eine der unglücklichsten, die uns die Gesetzgebung jemals gestellt hat“. Dann denkt er lange über den Begriff der „Vernunft“ nach und stellt richtig, aber natürlich wenig hilfreich, fest, vieles sei erheblich unvernünftiger als das Jagen, z. B. die Katzenhaltung, die gegenüber der Jagd mit jährlich ca. 10 Millionen erlegten Wildtieren allein jährlich etwa 200 Millionen Singvögeln das Leben kostet, also 20 mal so viel. Außerdem torpediere die Abschaffung der Jagd die Freiheit des Menschen; also solle die Jagd als vernünftiger Grund ins Tierschutzgesetz reingeschrieben werden.
Was auch Hager für einen guten aber frommen Wunsch hält. Wir übrigens auch.
Wo liegt das Problem?
Zunächst einmal muss man – wir haben das in unserem Blogbeitrag vom 20. August 2014 „Tierrechte – Totschlagargument gegen die Jagd?“ schon erwähnt – erst einmal die richtigen Begriffe an der richtigen Stelle verwenden. Das „Lebensinteresse des Tieres“ kann ja nun wohl nicht das Interesse sein, gegen das das „Erlebnisinteresse des Jägers“, auch das ein falscher weil irreführender Begriff, abzuwägen ist, um der Jagd einen „vernünftigen Grund zu liefern.
Denn Jagd in der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft ist auch, aber eben nicht nur, Erlebnis – sie ist notwendiges Regulativ einer gesunden und der Kulturlandschaft angepassten Fauna gerade auch im Interesse eines gesunden und artenreichen Wildbestandes; wir nennen das, lieber Professor, lieber Dr. Asche, die „Hege“. Was wir, jedenfalls die meisten von uns, nämlich neben dem „Erlebnis“ auch empfinden, ist Liebe zur Natur und zum Tier und Verpflichtung dem Tier, der Natur und der Umwelt gegenüber. Denn außer in Retortenlandschaften reguliert sich der Wildbestand eben bei uns nicht, wie das gern verwendete Dummbeutel-Bild der Regulation zwischen Schneehase und Schneeleopard immer wieder beweisen will. Aber wir lieben gesunde und artenreiche Wildbestände, ohne die die Natur öde wäre und leer. Und wenn wir diese Aufgabe, die Hege als notwendige Kehrseite der Medaillie Töten, in die Abwägung einbeziehen, dann ist die Jagd durchaus ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes. Denn das Tier ist, auch ohne uns Jäger, jederzeit und mitten „im Leben vom Tode umfangen“.
So einfach ist das.
Da kann man dann gern noch die Argumentationshilfe des DJV ins Feld führen oder das großartige Buch „Die Sache mit der Jagd“ von Heribert Kalchreuter oder zahlreiche Publikationen von Asche über Lipps und Stubbe bis…zum Beispiel unseren Blogbeiträgen u.a.m.
Aber machen wir uns nichts vor: die Angriffe der Jagdgegner sind eine Sache, und sie sind verdammt ernst zu nehmen, vor allem dann, wenn es ihnen gelingt, politischen Rückhalt zu gewinnen, wie das zunehmend geschieht, s. NRW. Jedoch kann man dagegen angehen. Schwab aber schließt seinen Beitrag mit den nachdenklich machenden Worten:
„Unabhängig aber von der Antijagdbewegung und ihren Bemühungen bedrohen andere Entwicklungen zunehmend die Reviere: Freizeit- und Agrarindustrie, Landfraß und Verstädterung. Anders gesagt: die Jagd bzw. die Reviere werden von allen Seiten her überrannt.“
Wie gesagt: es ist in der Tat 5 vor 12!
Ihr Dr. WolfgangLipps