Ein unverständlicher, unnötiger und ziemlich dummer Bruderzwist!

Seit vielen Jahren haben es insbesondere wir Jäger mit dem sogenannten Wald-Wild-Konflikt zu tun. Der ist aber tatsächlich ein „Forst-Jagd-Konflikt“, also eigentlich ein Bruderzwist. Und damit nicht nur unnötig und dumm, sondern auch einigermaßen unverständlich.

Geschichtlich ist nämlich der Försterstand aus der Jägerschaft heraus entstanden. Im Mittelalter waren der Forst- und der Jagdbetrieb dann erst einmal streng getrennt. Die Jagd war damals ein beliebter Zeitvertreib der Könige und Fürsten. Für die Jagd existierte deswegen eine eigene Jagdverwaltung. Die Forstverwaltung hatte der Jagd zu dienen! Die Jagdbediensteten genossen ein sehr viel höheres Ansehen als die Förster.

Erst spät im 18. Jahrhundert stieg das Ansehen der Forstbediensteten über das der Jagdbediensteten.

Schon im 17. Jahrhundert kam es zu einer Vereinigung der Berufsgruppen der Förster und Jäger. Die Forstverwaltung wurde in die Jagdverwaltung eingegliedert. Der Oberjagdmeister war gleichzeitig der Oberforstmeister. Die Jagd hatte natürlich auch ein Interesse daran den Wald zu erhalten (das gilt übrigens – man soll´s nicht glauben, – auch heute noch!).

Um 1750 setzte in Deutschland eine große Holznot ein. Außerdem prägte der Merkantilismus das Berufsverständnis der höfischen Beamten. Der Wald wurde dank des Rohstoffes Holz zunehmend als wichtige Einnahmequelle erkannt. Die Förster sorgten zunehmend für Einnahmen, während die Jagd nur Geld verschlang. Jagd- und Forstverwaltung wurden wieder getrennt. 

Und heute ist unser Wald wieder in Gefahr, aber jedenfalls nicht durch Wild oder gar die Jagd! In der Trennung der beiden Berufsgruppen setzte jedoch eine zunehmende Schärfe ein, die das Wild jedenfalls in den Augen der Forstpartie immer mehr als Waldschädling sieht. Die gemeinsame Wurzel ist in Vergessenheit geraten, und unnötiger Weise setzt eine zunehmende Feindseligkeit ein – leider besonders in Brandenburg.

Lippenbekenntnis einerseits

und Realität andererseits.

Der Direktor der Landesforstverwaltung Brandenburg, Herr Hubertus (richtiger Vorname für die Berufswahl!) Kraut, hat vor kurzem auf der Website des Landesbetriebes Forst Brandenburg eine als „Klarstellung“ bezeichnete „Gegendarstellung“ – die aber presserechtlich eine solche nicht ist – veröffentlicht, in der es heißt:

Der Landesforstbetrieb und seine Mitarbeitenden messen der Jagd eine große Bedeutung für die Entwicklung von Wald und Wild an und suchen regelmäßig den Dialog mit der Jägerschaft und weiteren betroffenen Interessengruppen. ….. Der LFB ….. achten die Leistungen der Jägerinnen und Jäger für den Brandenburger Wald und betonen ihr Engagement für eine gemeinsame Erarbeitung tragfähige Lösungsstrategien.

Mal ganz abgesehen von den zwei Fehlern in diesem kurzen Abschnitt ist das doch eine sehr schöne und erfreuliche Behauptung.

Schade nur, dass sie unwahr ist!

In Wirklichkeit nämlich kann man die Haltung der brandenburgischen Forstpartie – wir trennen jetzt mal nicht zwischen Leitungsebene Landesforst einerseits und Ministerium für Landwirtschaft Umwelt und Klimaschutz MLUK andererseits – eigentlich ohne Übertreibung schon als jagdfeindlich bezeichnen.

Dafür nur einige Beispiele:

  1. Im Juni 2022 veranstaltete die Fraktion DIE LINKE ein Fachgespräch zum Waldumbau in Brandenburg. Für das LFE Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde nahm Herr Forstassessor Wiebke teil. Der Landesjagdverband Brandenburg berichtet aus diesem Fachgespräch, Herr Wienke habe sich u. a. wie folgt geäußert:

„Er habe die Nase voll von den Jägern in Brandenburg, die weder kompromiss- noch dialogbereit seien und denen es nur um dicke Trophäen ginge und dafür das Wild füttern.“

Da diese Äußerungen nie ordentlich dementiert wurden, gehen wir davon aus, dass sie so gefallen sind. Das ist sicherlich nicht die Meinung aller Forstbediensteten in Brandenburg, aber erkennbar auch keine Einzelmeinung.

  1. Bereits Anfang 2019 sorgte der Alleingang der Obersten Jagdbehörde und die Durchsetzung einer neuen Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz Brandenburg für Diskussionen. Die DVO ist, neben dem Landesjagdgesetz, eine der wichtigsten Grundlagen für die Ausübung der Jagd. Nach einer Klage des Brandenburger Jägers Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel vor dem zuständigen Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg wurde die Durchführungsverordnung aus dem Jahr 2019 in Teilen für rechtswidrig und unwirksam erklärt!

Das ist nicht verwunderlich. Auch wir haben diese VO schon, insbesondere wegen der Mindestabschussregelung, für rechtswidrig gehalten. Auf die Jäger wurde schon bei ihrem Erlass natürlich nicht gehört.

  1. Brandenburg hat eine hohe Wolfsdichte, nach bislang unwidersprochenen Meldungen sogar die „höchste Wolfsdichte der Welt“. Am 21. Dezember 2017 hat der brandenburgische Umweltminister Jörg Vogelsänger als Teil des Wolfsmanagementplanes die „Brandenburger Wolfsverordung“(BbgWolfV) unterzeichnet, die Anfang Januar 2018 in Kraft getreten ist. Schon damals haben wir geschrieben:

Minister Vogelsänger ist ganz stolz auf dieses Elaborat und meint, die anderen Bundesländer warteten schon darauf. Wenn das stimmt, werden sie es nach der Lektüre wegschmeißen. Wir vom Institut für Jagd Umwelt und Naturschutz haben die VO sorgfältig gelesen und halten sie, mit Verlaub und nett ausgedrückt, für ziemlich unbrauchbar!

Inzwischen ist jetzt, im September 2022, die überarbeitete Wolfsverordnung in Kraft getreten. Sie ist genau so wenig brauchbar wie die vorherige Fassung und negiert fröhlich und unbekümmert alle Fachvorschläge insbesondere des Landesjagdverbandes.

Vor allem ist bei ihrem Entwurf zwar jeder gefragt worden, der nicht schnell genug auf einen Baum kam – nur der Landesjagdverband nicht. Und auch nicht das Forum Natur, dem der LJV auch angehört! Dabei sind es doch gerade wir Jäger, auf die das Problem Wolfsmanagement mit Sicherheit zukommt!

Soviel zur Kraut´schen Kooperation mit den Jägern.

  1. Der Hammer aber ist, wieder einmal, der Entwurf eines neuen Landesjagdgesetzes.

Wir haben uns in diesem Blog und gutachterlich dazu geäußert, und nicht nur wir, sondern der Landesjagdverband und das Forum Natur und zahlreiche Jäger und Jagdwissenschaftler und Experten im öffentlichen Recht. Das nahezu einhellige Urteil – mit interessanten Ausnahmen wie zum Beispiel dem ökologischen Jagdverein – zu diesem Gesetzentwurf ist vernichtend.

Das Ministerium hat versprochen, den Entwurf unter Auswertung aller dazu ergangenen Kommentare und Meinungen sorgfältig zu überarbeiten. Jetzt erfährt der Landesjagdverband im September 2022, dass der redigierte Entwurf vorliegt und demnächst dem Landtag zugeleitet wird.

Auch hier sind angeblich wieder etliche Anhörungen erfolgt, aber wer nicht dazu gehört wurde, ist der Landesjagdverband. Und auch nicht das Forum Natur.

So viel zum – O-Ton Hubertus Kraut: – regelmäßigen Dialog mit der Jägerschaftund zur gemeinsamen Erarbeitung tragfähiger Lösungsstrategien“. 

  1. Und letztlich: was die Forstpartie von den Jägern hält, kann man deutlich an der Begründung des geplanten neuen Jagdgesetzes erkennen, wo es z. B. für den ersten Entwurf hieß (Fettdruck von uns):
    • Hier wiegt der Wildverbiss daher umso schwerer. Die Ursachen hierfür liegen im Jagdrechtssystem.
    •  Das ist bis heute so gesetzlich festgeschrieben mit der Folge, dass es der überwiegenden Mehrheit der Waldbesitzer bis heute nicht erlaubt ist, auf ihren eigenen Flächen zu jagen. Stattdessen jagen dort Menschen, für die die Jagd ein Hobby oder Prestige ist.
    •  Die Jagdpächter sind an hohen Wildbeständen interessiert.
    •  Die Jagd spielt sich im Verborgenen ab. Zeugen gibt es für das Tun oder Handeln der Jäger keine.
    •  Die Jägerinnen und Jäger schießen immer so viel Wild, wie sie es für richtig halten.
    •  Dabei ist es fraglich, ob es um die Interessen des Wildes oder vielmehr um die der pachtenden Jäger geht, die an jagdlich interessanten Wilddichten und Trophäen interessiert sind.
    •  Jagd um des Jagens Willen ist nicht Zweck der Jagdausübung

und was dergleichen Sottisen mehr sind. Denn dieser Entwurf macht allein das Wild und die es angeblich rücksichtslos hegenden Jäger, zu denen leider die kleinen Waldbesitzer angeblich nicht gehören und denen die angeblich nichts zu sagen haben, für den Zustand des Waldes verantwortlich. Klima, Klimawandel und die massiven Fehler der Forstpartie selbst in der Vergangenheit werden freundlicherweise ausgeblendet!

Über die ASP wollen wir hier mal den Mantel des allerdings höchst missmutigen Schweigens breiten. Da sind wir, das Institut für Jagd Umwelt und Naturschutz, zwar selbst mit dem LJV nicht einig – den wir gebeten haben, sich doch mal unserer gut begründeten Ansicht zumindest dem Grunde nach anzuschließen. Aber grundsätzlich werden wir Jäger und unsere fachlich qualifizierten Ansichten ebenso wie unsere berechtigten Interessen von zwei Ministerien, allen Kreisveterinären und der Forstpartie schlicht ignoriert – blasierte beamtete Missachtung!

Nochmals zum Forst-Jagd-Konflikt: was muss jetzt geschehen?

Wir meinen, dass dieser Konflikt, den leider ausschließlich die brandenburgische Forstpartie befeuert, nicht nur dumm und unnötig, sondern auch schädlich ist – für uns Jäger, für das Wild, aber vor allem auch für unser aller Sorgenkind, den Wald! Dabei haben die Jäger schon seit geraumer Zeit die Hand zu einer Verständigung ausgestreckt – der DJV hat im Anschluss an eine derartige Fachtagung im April 2020  eine 40seitige BroschüreLösungsansätze im Forst-Jagd-Konflikt“ veröffentlicht, andere Stimmen sind ebenfalls ausgewogen, wenn man zwar einerseits liest:

Das ideale Bild von Förstern ist ein Wald komplett ohne Wild“, sagt die Wildtierökologin Ilse Storch. „Es ist die Frage, ob man das als Ökologie verkauft. Aus meiner Sicht ist ein solcher Forst nicht naturnah, sondern ökologisch verarmt.“

Aber wie es andererseits so schön in der website „Forstwirtschaft in Deutschland“ des Deutschen Forstwirtschaftsrats und seiner Partner heißt:

„Der Wald ist wichtiger Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Hier sind Wild und Wald untrennbar miteinander verbunden. Das Ziel der Forstwirtschaft ist es, die Vielfalt an wildlebenden Tieren und heimischen Pflanzenarten im Wald zu erhalten und den Lebensraum des Wildes zu fördern und zu schützen.

 Die Jagd dient dem Schutz des natürlichen Ökosystems Wald, dem Erhalt gesunder Wildbestände sowie den Interessen der Forstwirtschaft. Dazu fördern Förster den Aufbau baumartenreicher Waldbestände und streben gleichzeitig an, Wildschäden zu vermeiden.“

Auf dieser simplen Basis und vor allem gestützt auf § 1 unseres geltenden Jagdgesetzes, wonach Wild mit Wald ein kulturelles Gut und seine Hege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, könnten auch in Brandenburg Forst und Jagd hervorragend harmonieren.

Dafür müssten sich das MLUK und seine Helfer und der Landesforst nur mal bequemen!

Die Aussicht dazu ist leider gering!

Ihr

Dr. Wolfgang Lipps

 

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