Kommentar zum Landesjagdgesetz Brandenburg (LJagdG Bbg)

Laufend aktualisierte Fassung

JUN.I Institut für Jagd Umwelt und Naturschutz GmbH

 § 1 LJagdG Bbg

Gesetzeszweck

(1) Wild ist ein wesentlicher Bestandteil der heimischen Natur. Es ist als unverzichtbarer Teil der natürlichen Umwelt in seinem Beziehungsgefüge zu bewahren. Der Schutz des jagdbaren Wildes und seiner Lebensräume ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(2) Dieses Gesetz dient dazu,

  1. einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten;
  2. bedrohte Wildarten zu schützen;
  3. die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern, zu verbessern und so weit wie möglich wiederherzustellen;
  4. die von jagdbaren Tieren verursachten Schäden am Wald und auf landwirtschaftlichen Kulturen auf ein wirtschaftlich tragbares Maß zu begrenzen;
  5. die jagdlichen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit denen des Naturschutzes, des Tierschutzes, der Landschaftspflege sowie der Erholungsnutzung in Einklang zu bringen;
  6. die Jagdausübung und die Jagdorganisation zu regeln;
  7. eine biotopgerechte Wildbewirtschaftung durchzusetzen.

 

Bundesjagdgesetz

§ 1 Inhalt des Jagdrechts

(1) Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden.

(2) Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen; auf Grund anderer Vorschriften bestehende gleichartige Verpflichtungen bleiben unberührt. Die Hege muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.

(3) Bei der Ausübung der Jagd sind die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten.

(4) Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild.

(5) Das Recht zur Aneignung von Wild umfasst auch die ausschließliche Befugnis, krankes oder verendetes Wild, Fallwild und Abwurfstangen sowie die Eier von Federwild sich anzueignen.

(6) Das Jagdrecht unterliegt den Beschränkungen dieses Gesetzes und der in seinem Rahmen ergangenen landesrechtlichen Vorschriften.

Kommentar zum LJagdG Bbg

 1.

§ 1 des LJagdG ist sozusagen das „Grundgesetz“ der Jagd. Diese hat in erster Linie die Aufgabe, „Wild“ als wesentlichen Bestandteil der Kulturlandschaft in genau bestimmtem Rahmen zu hegen, und zwar im Zusammenwirken mit anderen Partnern, insbesondere der „Forstpartie“ (Staatswald, private Waldeigentümer u. a.).

2.

Ziel des gesamten Jagdrechts ist die Erhaltung und Bewirtschaftung des Wildes und die Organisation der Jagd im landeskulturellen Rahmen. Dabei hat der Landesgesetzgeber nicht nur die Vorgaben und Grenzen des BJagdG, sondern auch anderer übergeordneter Rechtsvorschriften zu beachten, z.B. der Naturschutzgesetze, des Tierschutzes, der BWildSchVO usw.

Deshalb sieht das LJagdG einerseits den Schutz bedrohter Wildarten und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie die Schaffung und Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes vor. Andererseits sind dabei die Belange der Wald- und Landwirtschaft ebenso zu beachten wie die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes und die genannten sonstigen öffentlichen Belange. Und letztlich ist die Organisation und Durchführung der Jagd insoweit zu regeln, als dies nicht bereits durch das BJagdG, aber auch andere Gesetze wie das WaffG geschieht.

Neu ist im LJagdG seit 2004 in § 1 die interessante Tatsache, dass durch diese Generalvorschrift nicht mehr, wie vorher, die gesamte freilebende Tierwelt angesprochen wird, sondern, insoweit dem Zweck des Gesetzes als Spezialregelung eher entsprechend, „Wild“; dennoch ist die Einschränkung nicht recht verständlich, denn die gesamte Tierwelt, nicht nur das Wild, ist Bestandteil der heimischen Natur. Richtig ist indessen, dass mit dem Nachsatz in § 1 Abs. 1 eindeutig klargestellt wird, dass der Schutz des jagdbaren Wildes und seiner Lebensräume eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Das ist einmal eine Folge der Diskussion mit Tierschützern, Naturschützern und sog. Ökojägern, vor allem aber eine praktische Folgerung aus der Tatsache, dass Tiere heute, seit der Geltung des Art. 20a GG, nicht mehr nur Sachen, sondern Mitgeschöpfe sind, und dass insoweit Tierschutz eindeutig auch eine jagdliche Aufgabe ist; deshalb ist er in Ziff. 5 ausdrücklich erwähnt.

Dabei muss gerade heute und in einem Jagdrechtskommentar darauf hingewiesen werden, dass in den jagdrechtlichen Vorschriften der Vergangenheit schon tierschutzrechtliche Aspekte verankert wurden, bevor überhaupt eine Tierschutzbewegung entstand. So schützte das Würzburger Jagdedikt von 1705 schon die Elterntiere während der Aufzucht der Jungen, Tierschutzregeln wurden in alten Jagdgesetzen zu „Weidmanns Brauch“ erklärt, und in dieser Weise dann in den Begriff der Weidgerechtigkeit in das Reichsjagdgesetz übernommen.

Die Länder dürfen mit eigenen Vorschriften vom Bundesjagdgesetz (BJagdG) abweichen (mit Ausnahme der Regelung der Jägerprüfung). Soweit jedoch ein Landesjagdgesetz schweigt, gilt das BJagdG unmittelbar. Deshalb hat Abs. 3 des § 1 BJagdG, der die Regeln der Weidgerechtigkeit für anwendbar erklärt, unmittelbare Gesetzeswirkung in Brandenburg.

3.

Insoweit nimmt die grundsätzliche Darstellung des Gesetzeszweckes Teile der Zielvorgaben des BJagdG wiederholend oder konkludent in sich auf, insbesondere die Bestimmungen des § 1 Abs. 2. Der Kernbegriff (BVerfGE 18, 309) ist derjenige der Hege – das LJagdG hat damit in § 1 den gleichen Zweck wie die Hegeverpflichtung des BJagdG.

Der Begriff der Hege wird leider nicht einheitlich gebraucht. Schon das BJagdG verwendet ihn ambivalent – in § 28 ist mit Hege des Schwarzwildes seine Pflege und Zucht gemeint, ebenso wie in § 30, in § 5 Abs. 2 wird der Ausdruck Jagdpflege verwendet, der hier aber Hege meint.

Ferner ist der Begriff der Hege vielschichtig. In erster Linie wird man heute darunter die Biotophege verstehen, also die Pflege, Gestaltung und Sicherung des Lebensraumes des Wildes; ihr gegenüber tritt die früher sogenannte Hege mit der Büchse zurück, auch deshalb, weil die Wildbiologie lehrt, dass jedenfalls eine individuelle Auslese kaum noch mit der Büchse erreicht werden kann – das erklärt vielleicht die Wortänderung in Ziff. 7, s. unten. Demgegenüber umfasst die Hege alle ökologischen und ökonomischen Erfordernisse der Erhaltung und Eingliederung des Wildes in der heutigen Kulturlandschaft. Dabei bildet die landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzung nicht, wie oft behauptet wird, eine Grenze der Hege, sondern gehört zu ihrem Inhalt. Nicht zur Hege gehört der gelegentlich vorhandene Wunsch, Wild in größerer Zahl zugunsten der Jagdausübung und zulasten der Landwirtschaft zu hegen – letztere hat insoweit Vorrang, wie auch § 21 BJagdG indiziert, und wie die Rspr. (Rechtsprechung) stets betont hat (BGH NJW 1984, 2216; OVG Koblenz AgrarR 1982, 252).

Die Verpflichtung, nicht nur Berechtigung des Jägers zur Hege stipuliert § 1 Abs. 1 letzter Satz BJagdG: Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden. Dabei ist heute gesicherte Ansicht, dass die Hegeverpflichtung nicht allein den Jäger trifft, sondern auch den Grundeigentümer. Das führt z. B. dazu, dass die Landwirtschaft Wildschäden in bestimmter Höhe dann dulden muss, wenn ansonsten der Wildbesand ordnungsgemäß gehegt wurde. Und dort, wo die Gesetze oder andere Rechtsvorschriften ein Eingreifen der Jagdbehörden vorsehen, ist häufig die Hege neben der ordnungsgemäßen Jagdausübung der Maßstab für das Tätigwerden der Behörden, z.B. bei der Abrundung oder Angliederung von Jagdbezirken – § 2 (s. dort).

Eine für den Jäger nicht unbedenkliche Gesetzesänderung des LJagdG 2004 gegenüber dem von 1992 liegt darin, dass in Ziff. 7 der Vorschrift die „weidgerechte“ durch die „biotopgerechte“ Wildbewirtschaftung ersetzt wurde. Das ist eine Verengung des Hegebegriffes und insoweit eine Abweichung vom BJagdG, das aber demgegenüber durch seinen § 1 Abs. 3 unmittelbar gilt.

Gleichzeitig ist die Hege auch ein Ausdruck des Tierschutzes (der inzwischen im Grundgesetz als Staatsziel in Art. 20a Grundgesetz  (GG) aufgenommen wurde – wobei zu beachten ist, dass es der Staat, also der Gesetzgeber und die Gerichtsbarkeit, ist, denen der Tierschutz obliegt, nicht einzelnen zumeist sogar mehr oder minder militanten Interessengruppen!), denn die Hege hat primär die Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestandes zum Ziel.

4.

Das Jagdrecht bezieht sich im Wesentlichen nur auf Wild, d.h. nach der Legaldefinition des § 1 BJagdG auf „Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen“, nicht auf sonstige Tiere (die damit einen geringeren Schutz genießen, da selbst die weitestgehenden Schutzgesetze z.B. keine Hegeverpflichtung enthalten). Was in diesem Sinne Wild ist, bestimmt § 2 BJagdG i.V.m. den Vorschriften der Länder.

5.

Die „Weidgerechtigkeit“ ist ein sog. „unbestimmter Rechtsbegriff“ und ambivalent und unterliegt demgemäß Wandlungen; dennoch ist sie bestimmbar und insoweit als Rechtbefehl zu beachten. Sie beinhaltet jedenfalls die drei wesentlichen Grundlagen der Jagd:

  • Biodiversität,
  • Tierschutz und
  • Nachhaltigkeit.

Die Begriffe sind im Einzelnen erläutert in https://jagdrechtsblog.com/positionsbestimmung-unserer-jagd-zwischen-tradition-moderne-und-untergang/ .

Die Weidgerechtigkeit ist damit die Summe aller geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die die Jagd, das Jagdhandwerk, die allgemeine Jagdausübung und vor allem die ethische Einstellung des Jägers zu Jagd und Tier betreffen. Als Rechtsbegriff unterliegt die Weidgerechtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung – es sind also die Gerichte, die jeweils entscheiden, was im Zweifel weidgerecht ist, nicht behördliches Ermessen (ausführlich dazu Schuck, Kommentar zum Bundesjagdgesetz 2010, Rn. 27 – 34 zu § 1 BJagdG).

6.

Soweit versucht wird (und wurde), in neuen Landesjagdgesetzen wesentliche Regelungen des § 1 BJagdG und der Weidgerechtigkeit auszuschließen, liegt häufig eine Verletzung von Bundesrecht vor, für die ein Landesjagdgesetz nicht legitimiert ist – s. dazu für Brandenburg u. a. https://jagdrechtsblog.com/entwurf-landesjagdgesetz-aus-der-mottenkiste-der-geschichte/.

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