Das Land, insbesondere unser Land Brandenburg, steckt tief in mehreren Krisen. Wir laufen gerade in eine massive Rezession und Deindustrialisierung hinein. Alle Minister und Staatsdiener der Landesregierung sind aufgerufen, sich mit den Folgen dieser Krisen für ihre Bürgerinnen und Bürger zu befassen und allen sonstigen Verwaltungsunsinn mal hintanzustellen.
Nur das MLUK nicht?
Es verplempert mit anderen über 70 Millionen EURO für unnötige und sogar schädliche ASP-Maßnahmen, und es verplempert Gehirnschmalz Manpower und natürlich auch Geld für ein neu entworfenes
Landesjagdgesetz Brandenburg
(Fettdruck, auch in Zitaten, immer von uns)
„Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) hat den zweiten Jagdgesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis90/ Die Grünen) musste seinen ersten Entwurf nach Protesten zurücknehmen und wurde beauftragt, diesen grundlegend zu überarbeiten“.
„Der nun vorliegende zweite Entwurf ist jedoch ebenfalls unbrauchbar. Er fokussiert allein auf forstwirtschaftliche Interessen. Belange des Artenschutzes, des Tierschutzes und der Landwirtschaft werden weiterhin ignoriert. Die seit Jahrzehnten erfolgreich gelebte Selbstverwaltung der Jagdausübung durch die Jagdgenossenschaften als Vertreter der Flächeneigentümer soll gezielt torpediert werden“, sagt Dr. Dirk-Henner Wellershoff, Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg.
Der Minister hatte zugesagt, den ersten Entwurf nach zahlreichen Protesten unter Berücksichtigung der vorliegenden Kommentare und Stellungnahmen gründlich zu überarbeiten.
Das ist nicht geschehen, zahlreiche Stellungnahmen, wie die des Forum Natur oder unser Gutachten und mehr, wurden (und werden) schlicht ignoriert. Das Ministerium ist sogar – welch unerträgliche Arroganz – der Ansicht, eine weitere Anhörung Betroffener sei nicht mehr nötig.
„Anfang September wurde dem Landesjagdverband mitgeteilt, dass der zweite Entwurf bereits der Staatskanzlei zugestellt und entgegen allen Absprachen, den Verbänden sowie den betroffenen Behörden vorenthalten wurde. Am vergangenen Donnerstag wurde der Forstausschuss des Landes Brandenburg, durch den Leiter der Obersten Jagd- und Forstbehörde, Dr. Carsten Leßner, darüber informiert: Dass es, wie bei anderen Gesetzesvorhaben der Vergangenheit auch, zu keiner weiteren Verbändebeteiligung seitens der Verwaltung kommen wird. Die Verbändebeteiligung zum Jagdgesetz ist mit dem Prozedere zu Beginn des Jahres abgearbeitet worden.“
Das Peter-Prinzip
Es besagt: In jeder Hierarchie werden Beschäftigte so lange befördert, bis sie auf einen Posten gelangen, auf dem sie inkompetent sind.
Der Versuch, das Landesjagdgesetz Brandenburg zu novellieren, könnte als Musterbeispiel für die Richtigkeit dieses Prinzips in die Rechtsgeschichte eingehen. Denn ein Gesetz verlangt ja nicht nur, dass sein Inhalt richtig, notwendig, anwendbar und verhältnismäßig sei, sondern dass es auch unter rechtlichen Gesichtspunkten Bestand hat.
Nun kann man fairerweise weder vom zuständigen Minister Axel Vogel noch Herrn Dr. Leßner erwarten, dass sie im öffentlichen Recht bewandert sind – dafür gibt es Juristen. Wenn sie, wie man annehmen darf, im Ministerium oder der Landesregierung nicht zu finden sind, gibt es hervorragende Professoren und Anwälte. Dass die den Gesetzentwurf gesehen und gutgeheißen haben, jedenfalls einer von ihnen, wird von Leßner zwar behauptet, von uns aber nicht geglaubt – warum denn sonst wird er bis zur Stunde geheim gehalten?
Leider müssen wir auch annehmen, dass die Beteiligten Beamten auch andere Parameter, die für ein Landesjagdgesetz wichtig sind, nicht kennen.
Das entnehmen wir folgendem Vorgang:
Es gab im Landesparlament zwei Kleine Anfragen des Landtagsabgeordneten Julian Brüning (CDU) zum Entwurf des Landesjagdgesetzes und zu Fragen des Waldumbaus. Die Antworten lassen erschreckende Wissenslücken und eine erstaunliche Unwilligkeit sachlicher Behandlung seitens des Ministeriums erkennen.
„Die Antworten auf die beiden kleinen Anfragen offenbaren auch, dass das MLUK bei vielen relevanten Aspekten der Jagd keine Angaben machen kann, scheinbar frei von Wissen und Expertise über genau jene Sachverhalte ist, die in der Jagdgesetznovellierung aufgegriffen werden sollen.
Anzahl der Jagdscheininhaber?, Organisation der Jägerschaft in Verbänden?, Anzahl und Organisation der Jagdgenossenschaften?, Fälle von unsachgemäßem Gebrauch von Kirrmaterial?, Zusammenhang zwischen wachsendem Nutzungsdruck auf die Wälder und den Problemen beim Waldumbau?, Wildschäden im Wald und auf landwirtschaftlichen Flächen? – dazu liegen dem MLUK keine Informationen vor, heißt es immer wieder.
„Es drängt sich der Verdacht auf, dass im MLUK das Verständnis für ein gesundes Waldökosystem abhandengekommen ist und der Kompass auf dem Weg zu mehr Biodiversität und Artenvielfallt dringend nachjustiert werden muss. Umso wichtiger wäre ein moderierter Dialogprozess zur Anpassung des Landesjagdgesetztes an die aktuellen Erfordernisse, bei dem auch Fachleute mit Praxisbezug ihre Expertise einbringen können.“
Mit anderen Worten: Der Inhalt des Gesetzentwurfs einschließlich seiner Einleitung, seiner Begründung und der einzelnen Erläuterungen ist, wie schon mehrfach beanstandet wurde, weitgehend inakzeptabel.
Grundsätzliches zur Rechtswidrigkeit
Wir haben uns, noch vor dem Gutachten für den Landesjagdverband und mit anderen Schwerpunkten, als Einzige mit den rechtswidrigen Vorschriften des Entwurfs befasst. Wir haben fundiert gutachterlich und in unserem Blog belegt, dass der Entwurf gegen übergeordnetes Recht verstößt. Das darf der Landesgesetzgeber nicht, und das macht die betroffenen Bestimmungen des Gesetzes rechtsunwirksam. Übergeordnete Rechtsinstitute sind Tierschutz (Verfassungsrang), Artenvielfalt (europäisches und Bundesnaturschutzrecht) und Nachhaltigkeit (Bundesrecht) – alle sind die Grundlage der Hege, die untrennbar mit der Jagd verbunden und damit ein eigener Rechtsbefehl ist!
Der Entwurf lehnt Hege und Hegeverpflichtung ab und sieht die einzige Aufgabe der Jagd darin, soviel Wild abzuschießen, dass „die Wildbestände dem jeweiligen Lebensraum angepasst werden“ (§ 3 /3) Satz § Entwurf), sodass „keine bedeutenden Schäden mehr entstehen“ und „im Wald die Verjüngung … an jeder Stelle aufwachsen und sich zu stabilen und klimaangepassten Wäldern entwickeln kann“. Der Jäger ist dabei weiter nichts als der Vollzugsgehilfe dieser Schädlingsbekämpfung.
Allein diese Zielstellung und ihre Ausprägung ist schon rechtswidrig.
Neue Rechtsverstöße
Die Neufassung des Entwurfs geht darüber noch hinaus – nix gelernt! Denn die Verfasser wollen nicht hinnehmen, dass ihnen die unsäglichen Minireviere genommen wurden, die beim besten Willen nicht konsensfähig sind. Sie haben sich jetzt allerlei ausgedacht, das genauso wirkt, nämlich den „Waldbesitzer-Begehungsschein“ in § 10, den sie mit einer Pachtrechtsbeschränkung in § 6 (5) auf 5 Jahre mit Verlängerungsverbot und Zwangsabrundung in § 9 (3) flankieren.
a. Der Waldbesitzer-Begehungsschein (WBS).
Wer im Wald mindestens 3 ha besitzt, kann für die vollen Flurstücke, auf denen die liegen, einen Begehungsschein ausstellen. Der dort Jagdausübungsberechtigte muss diese Jagdausübung dulden, haftet dort dann nicht für Wildschäden und wird entschädigt; das erlegte Wild steht dem WBS-Inhaber zu, er hat im Übrigen das volle Jagdausübungsrecht in diesem Minirevier.
Also: Dasselbe in Grün wie bisher!
Dass das jagdlich, wildbiologisch, insbesondere aber auch hegerisch (im Hinblick auf den Erhalt der Artenvielfalt und den Tierschutz und die nachhaltige Regulation gesunder reproduktionsfähiger Wildpopulationen) hanebüchener Unsinn ist, muss hier nicht besonders betont werden. Damit ist es rechtswidrig.
Es greift außerdem, wenn diese Miniberechtigung nach Abschluss des darüber liegenden Pachtvertrages geltend gemacht wird, in die Vertragsfreiheit des Jagdpächters und der Jagdgenossenschaft ein. Denn die haben zunächst einmal einen Jagdpachtvertrag auch über die Flächen geschlossen, die dann mit dem Begehungsschein dem Jagdpächter entzogen werden.
Der Begehungsschein ist damit ein Vertrag zu Lasten Dritter.
Denn ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liegt immer dann vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten – ohne seine Autorisierung – entstehen soll (BGH, Urteil vom 29. Juni 2004 – VI ZR 211/03, NJW 2004, 3326 unter II 2 mwN). Hier entsteht für den Jagdpächter die Pflicht, die Jagdausübung des WBS-Inhabers zu dulden, er verliert das Aneignungsrecht an dem von diesem geschossenen Wild, er ist zwangsweise belastet.
Das aber ist allgemeines Zivilrecht und damit Bundesrecht. Es ist dem Zugriff des Landesgesetzgebers entzogen.
Damit ist der Waldbesitzer-Begehungsschein rechtswidrig!
b. Die Höchstpachtdauer.
Nach dem Entwurf – § 6 (5) – darf ein Jagdpachtvertrag nur für höchstens 5 Jahre abgeschlossen werden. Seine Verlängerung während der Pachtzeit ist unzulässig. Das Jagdausübungsrecht kann nicht vererbt werden. Wird ein Jagdbezirk abgerundet, sind die Beteiligten nicht einverstanden, und besteht noch ein Pachtvertrag mit längerer Restdauer als 5 Jahre, dann wird die Abrundung zwangsweise nach dem fünften Jahr wirksam. Sie greift also in den Bestand eines laufenden Pachtvertrages ein und verändert dessen Pachtfläche, die immer ein wesentlicher Vertragsbestandteil ist.
Auch diese Bestimmung ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit der Vertragsschließenden Parteien des Jagdpachtvertrages.
Die Vertragsfreiheit gestattet es dem Einzelnen, Verträge abzuschließen oder auch nicht und dabei den Vertragsgegenstand und den Vertragspartner frei zu bestimmen. Der Vertrag darf allerdings nicht gegen gesetzliche Bestimmungen und Wertungen wie z.B. gegen die guten Sitten verstoßen. Diese Regelung beruht auf Art. 2 (1) des Grundgesetzes, hat also Verfassungsrang.
Zwar steht sie unter Gesetzesvorbehalt; der Landesgesetzgeber könnte also in den Fällen, in denen ihm, wie im Jagdrecht, die Gesetzgebungskompetenz zusteht, die Vertragsfreiheit durch ein förmliches Gesetz, damit auch ein Landesjagdgesetz, einschränken. Darauf spekuliert wohl der Entwurf, wenn die Verfasser trotz des Peter-Prinzips überhaupt so weit gedacht haben.
Aber:
Wie jeder Eingriff in verfassungsrechtlich gewährte Rechte muss das die Vertragsfreiheit einschränkende Gesetz
- einen legitimen Zweck verfolgen,
- für diesen Zweck geeignet sein,
- dafür auch erforderlich und vor allem
- verhältnismäßig sein.
Der erklärte Zweck des Entwurfs ist es, die Bildung klimastabiler Wälder zu ermöglichen. Dafür ist es völlig unerheblich, wie lange ein Jagdpachtvertrag gilt, wann er verlängert werden kann, und dass er nicht länger als 5 Jahre bestehen darf. Es fehlt diesen Bestimmungen damit am legitimen Zweck, und somit ist die Einschränkung der Vertragsfreiheit unverhältnismäßig und rechtswidrig. Dagegen steht gegebenenfalls nach Art. 19 GG der Verfassungsrechtsweg offen.
Auch diese Pachtrechtsbeschränkungen können damit rechtlich keinen Bestand behalten.
Zusammenfassung
Der Entwurf stößt nicht nur auf breite und weitreichend fundierte Ablehnung, sondern er ist sogar in wesentlichen Teilen grob rechtswidrig. Das haben wir schon zum ersten Entwurf festgestellt, und nicht wir allein.
Es ist völlig unverständlich, was das Ministerium und die beteiligten Personen eigentlich „reitet“, mit einer schon an Sturheit grenzenden Intensität eine völlig unnötige Gesetzesinitiative voranzutreiben. Die durchaus legitimen waldbaulichen Ziele der Forstpartie lassen sich mit der geltenden Rechtslage und den Möglichkeiten der Verwaltung zum Erlass weiterführender und präzisierender Verordnungen – z. B. unter Berücksichtigung der Vorschläge des Forum Natur, des Landesjagdverbandes und dieses Instituts, um nur einige zu nennen – ohne Mühe erreichen.
Ein Wald ohne Wild gehört jedenfalls nicht dazu!
Dr. Wolfgang Lipps