Wolfsmanagement – mit Großmutter Lemke und Jägersmann Vogel klappt das noch lange nicht!

Als ob wir heutzutage nicht andere und nicht zuletzt drängendere Probleme hätten, ist seit Wochen wieder der Wolf landauf landab in aller Munde. Das ist schon deshalb verständlich, weil der Wolf

  • gekommen ist, um dauerhaft zu bleiben,
  • sich fröhlich, jährlich etwa um 30%, vermehrt, und
  • Kalbslende und Lammkeule genauso gern frisst wie der Mensch –

weswegen er sich, weil er ein geschickter und furchtloser Jäger ist, diese und andere saftige Stücke auch von mit hohen Zäunen gesicherten Weiden und sogar aus dem Stall holt. Was u. a. zu dem, einigermaßen blöden aber nicht ganz grundlosen Spruch führt:

„Erst die Rinder, dann die Kinder!“

Schlagzeilen

Immerhin haben wir in Deutschland inzwischen über 2000 Wölfe, die einen erheblichen zum Teil existenzgefährdenden Schaden verursachen.

Deshalb lesen wir unter anderem:

  • Dem Bauernverband reicht es beim Thema Wolf.
  • Bauern und Jäger: Umweltministerium muss realistische Zahlen zum Wolf weitermelden
  • Dialogforum Wolf trifft sich: Das sind die Ergebnisse
  • „Der Wolf gewöhnte sich an Menschenfleisch“
  • Ein Wolfsexperte spricht Klartext: „Die Jagd auf Wölfe ist alternativlos“
  • Aktives Wolfsmanagement ist europarechtskonform
  • Landwirt zweifelt an Nachweisen zum Wolf: „Wir werden von der Politik verarscht“
  • Abschuss von Wölfen: Bund Naturschutz ohne Bedenken
  • Österreich: Abschüsse senken Wolfsbestand und Risse.

Aber auch:

  • Wolfspolitik: BUND stellt sich gegen vereinfachten Wolfsabschuss
  • Beispiel Frankreich: Wölfe schießen bringt nicht das gewünschte Ergebnis.

Wir, das Institut für Jagd Umwelt und Naturschutz dachten, wir hätten schon das Wesentliche gesagt:

Und einiges mehr.

Deshalb ist klar: Wenn man in einer besiedelten Kulturlandschaft mit einem gefährlichen klugen und im Rudel jagenden Raubtier zusammenleben will, muss es klare Regeln und eine strikte Organisation geben. So wie bisher gehts nicht weiter.

Aber wie? So jedenfalls sicher nicht!

Der neueste Unsinn: Steffi Lemke und der Wolf

Am 12.10.2023 hat nach langem Drängen die zuständige Ministerin, die Frau Diplom-Agraringenieurin Fachrichtung Tierproduktion „Steffi“-so-heißt-sie-wirklich-Lemke eine Pressekonferenz gegeben mit dem schönen Titel

 „Schnellabschüsse möglich machen, Artenschutz wahren“.

Die Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums beschreibt das wie folgt:

„Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat heute in Berlin ihre Vorschläge vorgestellt, wie Wölfe nach Rissen schneller geschossen werden können. Das Verfahren steht im Einklang mit dem europäischen Artenschutz. Es sieht vor, dass 21 Tage lang auf einen Wolf geschossen werden darf, der sich im Umkreis von 1.000 Metern von der Rissstelle aufhält. Anders als im bisherigen Verfahren muss hierfür nicht das Ergebnis einer DNA-Analyse abgewartet werden. Die Ausnahmegenehmigung für den Abschuss kann von den Behörden erteilt werden, nachdem ein Wolf zumutbare Herdenschutzmaßnahmen in zuvor festgelegten Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen überwunden und Weidetiere gerissen hat.“

Wenig verwunderlich meldet dazu die Presse:

„Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) befürwortete die vorgeschlagene Regelung für leichtere Wolfsabschüsse.“

Dazu aber Prof. Dr. Pfannenstiel:

“Wer diesen Vorschlag genau anschaut und mit dem deutschen Reviersystem, der Jagdausübung und der Biologie des Wolfs vertraut ist, merkt sofort, dass dieser Vorschlag das Problem nicht lösen kann.“

Und zutreffend weiter:

„Wer in den letzten Jahren beobachtet hat, welche inhaltlichen und zeitlichen Probleme die Bundesländer bei der Erarbeitung ihrer landesspezifischen Wolfsmanagementpläne hatten bzw. haben, kann sich leicht vorstellen, wie lange es dauert, bis „Regionen mit erhöhtem Rissaufkommen“ rechtssicher festgestellt werden. 1000 m Umkreis um eine Weide bedeuten knapp über 314 Hektar. Man kann also davon ausgehen, dass in vielen Fällen mehr als ein Gemeinschaftlicher Jagdbezirk bzw. eine Eigenjagd Flächen in diesen 314 Hektar Umkreis haben. Wird dann der Wolfsabschuss allen anliegenden Revieren freigegeben? Muss dann ein Meldewesen ähnlich demjenigen in Hegegemeinschaften mit Gruppenschuss installiert werden? Wird nur ein Wolf freigegeben, oder alle Wölfe innerhalb des 1000 m-Umkreises? Wie stellt man beim Ansitz nachts konkret fest, ob der Wolf oder die Wölfe innerhalb dieses Umkreises sind? Man muss keine seherischen Fähigkeiten haben, um zu erkennen, wie wenig der Lemke-Vorschlag zur Lösung des Problems der Weidetierhalter beitragen wird.“

(Die Stellungnahme von Prof. Pfannenstiel ist am Ende beigefügt.)

Wir haben zudem rechtliche Bedenken

Die EU-Kommission hat bereits zu erkennen gegeben, dass der Schutzstatus des Wolfs im Gemeinschaftsrecht überarbeitet und geändert werden soll. Wir Jäger fordern bekanntlich schon seit längerem, dass der Wolf aus Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FHH-RL) in den flexibleren Anhang V überführt wird. Anstatt das irrigerweise für nicht möglich zu halten, wäre es die Pflicht von Frau Ministerin Lemke, sich in Brüssel sofort dafür einzusetzen; bei anderen Ländern geht’s ja auch.

So, wie Frau Lemke die Neuregelung gegenwärtig vorgestellt hat, halten wir sie in Teilen für europarechtlich bedenklich.

Eine bessere Lösung wäre machbar!

„In einem Gutachten von Prof. Dr. Michael Brenner, Verfassungsrechtler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, das die FDP beauftragte, zeigte der Rechtsexperte auf, dass eine aktive Bestandsregulierung von Beutegreifern auch unter den derzeitigen EU-rechtlichen und nationalen Rahmenbedingungen grundsätzlich möglich ist.“

Prof. Brenner zeigt in diesem Gutachten zwei Wege einer Neuregelung auf, die bereits jetzt gegangen werden könnten – wenn auch mit erheblichem Aufwand. Er sieht eine naturschutzrechtliche und eine jagdrechtliche Variante, letztere allerdings wegen der Abweichungsoption der Länder im Jagdrecht mit erheblichen Schwierigkeiten.

Bei der naturschutzrechtlichen Variante springt das Gutachten zudem zu kurz – sie muss nämlich ebenfalls um jagdrechtliche Regelungen ergänzt werden. Denn eine „Entnahme“ von Wölfen kann letztlich immer nur der Jägerschaft übertragen werden.

Das Gutachten weist darauf hin, dass das Ministerium von Frau Lemke den „günstigen Erhaltungszustand“ der Wolfspopulation anders definiert, als dies unionsrechtlich begründet ist, und sagt dazu: „Daher handelt es sich bei dieser Interpretation um die Sicht der Dinge eines Ministeriums, der indes Rechtsverbindlichkeit nicht zukommt.“ Da verwundert es dann nicht, dass der Wolfsbeauftragte des Landesbauernverbandes Brandenburg sich wie folgt äußert: “Im Umweltministerium wird schon lange eine Politik gemacht, wie Naturschutzorganisationen sie wollen. Grünen Politikern ist das nur recht. Mit der Realität im ländlichen Raum hat das nichts zu tun.“

Und weiter:

„Jemand aus Berlin-Mitte muss mir nicht sagen, dass ich mit dem Wolf leben kann, der ist nicht betroffen“.

Also, meine Damen und Herren Ministerinnen und Minister:

Statt Gelaber jetzt bitte mal gemeinsam ein vernünftiges Wolfsbestandsmanagement in Angriff nehmen.

Prof. Brenner hat dazu klare Vorgaben geliefert:

Ein Managementplan bzw. ein Bestandspflegeplan, wie er der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, der Voraussetzung und zugleich Grundlage für ein effektives Wolfsmanagement sein würde, wäre dann sowohl auf regionaler als auch auf Bundesebene aufzustellen; er müsste die konkreten Vorgaben enthalten, die der EuGH für die einzelne Entnahme aufgestellt hat. Dies bedeutet, dass in dem Managementplan die klar und bestimmt formulierte Zielerreichung – mithin die durch konkrete und punktuelle Entnahmen bewirkte Verwirklichung des Akzeptanzkorridors, unabhängig davon, ob dieser ein Zahlen- oder Quotenkorridor ist – an folgende Kriterien angebunden sein müsste:

–         Klarheit über den günstigen Erhaltungszustand,

–         keine negativen Auswirkungen auf die Struktur der betreffenden Populationen,

–         Konkretisierung zu entnehmender Exemplare im Hinblick auf Ort, Zeit, Anzahl und Typ der Individuen, sowie

–         strenge Kontrolle der Einhaltung der Entnahmebedingungen.

Denn

„Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“

Dr. Wolfgang Lipps

Grünkäppchen und der Wolf

Kleine Kugel, großer Unsinn – Frischlingsbejagung in Brandenburg

Abschussprotokoll kl KugelDie Afrikanische Schweinepest droht. Wegen dieser Gefahr nicht nur für das Schwarzwild sondern auch für Hausschweine gab es eine Anhörung im Agrarausschuss des brandenburgischen Landtags. Der beschloss daraufhin am 17.12.2015 zum einen, zu überprüfen, ob nicht die Kosten der Trichinenschau bei besonderem öffentlichem Interesse gesenkt werden könnten. Vor allem aber erteilte er einen Prüfauftrag, „die Vorteile und Nachteile einer Bejagung von Frischlingen mit der „kleinen Kugel“ zu untersuchen (Drucks. 6/3168-B).

Der Berg kreißt und…

Das ist daraufhin dem Leiter der Oberen Jagdbehörde beim Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, Herrn Ulrich Hardt, „auf die Füße gefallen“, der daraufhin eine Allgemeinverfügung „losgetreten“ hat, obergetitelt „Befristete Einschränkung des § 19 Abs. 1 Nr. 2b Bundesjagdgesetz“.

Die erlaubt es,

„Frischlinge mit einem Lebendkörpergewicht von unter 20 Kg mit einer zur Rehwildbejagung zugelassenen Munition zu erlegen“ – gültig vom 01.04.2016 bis zum 31.03.2017.

Das ist rechtlich erstmal ein begünstigender Verwaltungsakt.Frischlinge

Unter Ziff. IV wird dann der „Anwender der Ziff. I.“, der jetzt erstmals als der Jagdausübungsberechtigte bezeichnet wird, verpflichtet, nach einem vorgegebenen Formularmuster bis zum 01.03.2017 über die erfolgte Anwendung zu berichten. Damit wird das Ding zu einem belastenden Verwaltungsakt.

Und ein Witz ist das oben abgebildete Protokoll, das allen Ernstes von denen verlangt wird, die Frischlinge in der Landesforst mit der kleinen Kugel erlegen.

..das so geborene Mäuslein ist sowohl unpraktisch …

Am 08.04. hat sich Prof. Pfannenstiel in JAWINA (alles nachzulesen in den Chroniken des Aktionsbündnisses Neue Medien im Internet) geäußert und diesem verwaltungstechnischen Machwerk mit dem Titel „Brandenburger Laienspielschar in voller Aktion“ nachgewiesen, wie ineffektiv und unpraktisch es ist:

Spontan habe ich mich gefragt, wie soll das eigentlich jagdpraktisch gehen? Man geht ja meist nicht nur raus ins Revier, um schwache Frischlinge zu erlegen. Was macht man, wenn ein anderes Stück Wild kommt, für das die Rehwildpatrone nicht zugelassen ist? Oder sind die Brandenburger Jäger alle so finanzkräftig, dass sie Bergstutzen mit großer und kleiner Kugel führen? Im Übrigen gilt eine solche Regelung bereits seit Jahren in Nordrhein-Westfalen, ohne dass sich die Zahl erlegter Frischlinge sprungartig nach oben verändert hätte.

Recht hat er.

Und er schreibt weiter und hat dabei meine volle Zustimmung:

Als Trostpflästerchen weist der LJVB nun darauf hin, …, man könne ja bei der Abgabe der Trichinenprobe eines mit der „Kleinen Kugel“ erlegten Frischlings einen Antrag auf Gebührenbefreiung einreichen. Die Erlegung von Frischlingen im Zeichen der drohenden ASP diene der Prophylaxe und läge damit im öffentlichen Interesse. Damit sei die Voraussetzung für die Gebührenbefreiung nach Meinung des LJVB erfüllt.

Man stelle sich das in der Praxis vor. Zunächst wird nach der Erlegung eines solchen schwachen Frischlings mir der „Kleinen Kugel“ ein Fragebogen ausgefüllt und nach Potsdam an die OJB geschickt. Dann wird der Antrag auf Gebührenbefreiung ausgefüllt und die Trichinenprobe kilometerweit zum Veterinäramt gekarrt. Und eventuell bekommt man nach ein paar Wochen einen Bescheid, der die Befreiung entweder bestätigt oder ablehnt.“

Denn eines ist doch wohl klar: mit einem „bürokratischen Monsterchen“, das den Jäger zwingt,

–        Trichinenproben herumzufahren und

–        Fragebogen abzuschicken,

–        damit er kleine Frischlinge schießt,

–        die er hinterher nicht verwerten kann,

–        weil er dann vielleicht die Gebühren für die Trichinenprobe zurückbekommt

–        oder nicht,

wird kein Jäger – selbst wenn er zufällig den „richtigen“ Bergstutzen, Doppelbüchsdrilling oder so führt – hinterm Ofen vorgelockt; der notwendige hohe Eingriff in die Jugendklasse unterbleibt.

…als auch leider rechtsunwirksam!

Denn ein besonderes Armutszeugnis für den Leiter der OJB ist die Tatsache, dass diese Allgemeinverfügung vom 04.02.2016 schlicht rechtswidrig ist. Ihr fehlt die gesetzliche Ermächtigung. Und anfechtbar ist sie auch, weil sie keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Auch ist der verwaltungsrechtlich vorgeschriebene Weg nicht eingehalten.

Diese unsere Meinung teilt die OJB allerdings nicht. Unter dem Leitsatz:

OJB stellt klar: Kleine Kugel auf Frischlinge rechtssicher“ weist eine LJV-Mitteilung vom 28.04.2016 darauf hin:

Die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming sowie die kreisfreien Städte Brandenburg und Frankfurt/ Oder setzen bisher den Erlass der Obersten Jagdbehörde zur Anwendung der „Kleinen Kugel“ bei der Jagd auf Frischlinge nicht um. Nun fordert die OJB die betreffenden Landkreise und kreisfreien Städte zum Vollzug auf. Demnach bestehe die Aufgabe der Unteren Jagdbehörden lediglich darin, die Allgemeinverfügung in ihrem Bereich an die Jagdausübungsberechtigten weiterzugeben. Den Inhalt würde die Oberste Jagdbehörde verantworten, erklärt Jens Uwe Schade, Sprecher des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft.“

Es wird, so prophezeien wir, letztlich nix passieren. Der notwendige Eingriff in die Jugendklasse findet nicht statt. Die stark anwachsenden Schwarzwildbestände vergrößern die Seuchengefahr, die angebliche Sorge vor der ASP, die Herr Hardt in der Begründung der Verfügung mit markigen Worten vorträgt, bleibt Lippenbekenntnis. Nasch einem Jahr erfolgloser Verfügung wird Herr Hardt sicherlich sagen, er habe alles gut gemeint, und froh sein, dass die Sache im Sande verläuft und keiner mehr merkt, dass „gut gemeint“ eben eher selten auch „gut gemacht“ heißt, in diesem Fall erst recht nicht!

Wozu, mit Verlaub, braucht man dann eine OJB?

Blechschweine_2

Ihr

Dr. Wolfgang Lipps